Alternativen zum Auto?

Alle reden vom bösen Auto und preisen die Bahn und den öffentlichen Per­so­nen­nahverkehr als DIE Alter­na­tive zum Auto an. Wie sehr hier Wun­sch und Wirk­lichkeit auseinan­der liegen, zeigen wir an eini­gen konkreten Beispie­len, die wir im Laufe der Zeit aus­pro­biert haben. Einen ähn­lichen Beitrag hat­ten wir schon Anfang 2016 auf einem mit­tler­weile geschlosse­nen Blog veröf­fentlicht. Nun haben wir den Beitrag mit unseren neueren Erfahrun­gen und den aktuellen Entwick­lun­gen über­ar­beit­et.

Die Bahn

Das <ironie>großartige</ironie> Klima­paket der Regierung möchte die Bahn attrak­tiv­er machen. Wir zeigen, warum der ÖPNV keine Alter­na­tive zum Auto ist

  • Als ein­ma­lige Aktion haben wir eine Flu­greise gebucht. Für eine fün­fköp­fige Fam­i­lie ein eher nicht uner­schwinglich­es Erleb­nis. Aber wir woll­ten zum einen den Herb­st hin­ter uns lassen und zum anderen den Kindern ein­mal das Erleb­nis “Fliegen” gön­nen (und zeigen, dass es viel unspek­takulär­er ist als ihre Schulka­m­er­aden es ihnen glauben schenken möcht­en). Zum Fluhafen woll­ten wir eigentlich mit der Bahn fahren. Für die Hin­fahrt kön­nen wir ein gün­stiges Tick­et mit Zug­bindung kaufen. Für die Rück­reise brauchen wir aber zwin­gend ein Flextick­et. Eine solche Kom­bi­na­tion hat während der Herb­st­fe­rien 270 Euro gekostet.
  • Wir zahlen für unser Auto 0,4 ct pro Kilo­me­ter. Das macht in etwa 144 Euro inklu­sive Sprit und Ver­schleiß. Das Vel­vet Park­ing hat uns nochmals 100 Euro gekostet. Das Auto war also nicht nur gün­stiger, son­dern auch kom­fort­abler. Denn wir sind von Haustüre zum Ter­mi­nal gefahren. Mit dem Zug hät­ten wir je noch die Trans­fers zu den Bahn­höfen organ­isieren müssen.
  • Zusät­zlichen haben Arbeit­skol­le­gen vom üblichen Chaos am Bahn­hof in Frank­furt berichtet. Bedauer­licher­weise mussten die Kol­le­gen inner­halb der Ferien über Frank­furt fliegen und kon­nten von über­füll­ten Zügen bericht­en, die der­art über­füllt waren, dass der Lok­führer sich weigerte, den Zug zu fahren.

Vorschlag:

Es sollte nicht möglich sein, einen Zug zu über­buchen. Ein Zug hat eine definierte Anzahl von Sitz­plätzen. Sind diese gebucht und bezahlt, kann man keine Tick­ets mehr für den Zug kaufen. Wer Flex-Tick­ets besitzt, sollte verbindlich vor Abfahrt einen Sitz­platz buchen.

Ein Zugtick­et darf nicht teur­er sein als eine Aut­o­fahrt.

Faktor Zeit beim Pendeln

Beim Pen­deln auf das Auto verzicht­en. Ist dies möglich? Ich fahre derzeit ca. 20 Kilo­me­ter zur Arbeit. Mein derzeit­iger Arbeit­ge­ber sitzt in einem kleinen Städtchen vor den Toren Kölns. Wir wohnen im Köl­ner Süden.

Für den Arbeitsweg fällt Car­shar­ing aus, weil das Fahrzeug auf einem Park­platz der Fir­ma ste­hen würde. Diese Standzeit kostet enorm viel. Bei allen Anbi­etern. Für die Möglichkeit, das Fahrzeug irgend­wo im öffentlichen Par­kraum abzustellen, war der Arbeit­ge­ber zu weit weg. Immer­hin hat Car2Go vor gar nicht mal so langer Zeit, den Umkreis, in dem das in Köln möglich ist, stark eingeschränkt. Für Pendler ist Car­shar­ing keine Option. (Eine Fahrge­mein­schaft eben­so wenig, denn es braucht nicht nur den Mitar­beit­er, der in der gle­ichen Ecke wohnt, son­dern auch feste Arbeit­szeit­en, die in meinem Job nicht gegeben sind.)

Also bleibt nur der öffentliche Nahverkehr als Alter­na­tive zum eignen PKW. Mit dem PKW brauche ich für meinen Arbeitsweg 20 Minuten für eine Strecke.
Mit Bus und Bahn brauche ich 52 Minuten plus acht Minuten, um zur Anfang­shal­testelle zu gelan­gen, plus zehn Minuten, um von der End­hal­testelle zur Fir­ma zu kom­men. Macht in der Summe 70 Minuten. Mehr als drei Mal so viel. Ohne Wartezeit­en für eventuelle Ver­spä­tun­gen.

Muss ich die Kinder noch in die Kita brin­gen, weil meine Frau aus der Nacht kommt oder in der Früh arbeit­et, müsste ich nochmals min­destens eine Dreivier­tel­stunde hinzurech­nen. Das wäre gar nicht mach­bar und meine Frau dürfte in der Woche nicht mehr arbeit­en.

ÖPNV und die Zeit

Ich habe mir mal den Spass gemacht und klas­sis­che Streck­en inner­halb Kölns bew­ertet. Start­punkt ist immer Bayen­thal (ein Stadt­teil im Köl­ner Süden).

Strecke 1 von Köln-Bayen­thal nach Köln-Rodenkirchen, Strecke 5 km
Fahrt­dauer Auto 10 min
Fahrt­dauer ÖPNV ohne Umsteigen 15 min

Strecke 2 von Köln-Bayen­thal nach Köln-Godorf (Ikea), Strecke 7 km
Fahrt­dauer Auto 11 min
Fahrt­dauer ÖPNV 1x Umsteigen 29 min

Strecke 3 von Köln-Bayen­thal nach Köln-Innen­stadt (Hansar­ing zu einem großen Elek­tro­markt), Strecke 4 km
Fahrt­dauer Auto 10 min
Fahrt­dauer ÖPNV 1x Umsteigen 34 min

Strecke 4 von Köln-Bayen­thal nach Köln-Innen­stadt (Neu­markt), Strecke 4 km
Fahrt­dauer Auto 10 min
Fahrt­dauer ÖPNV ohne Umsteigen 24 min

Strecke 4 haben wir bei unserem Ron­cal­li-Besuch benutzt. Ich dachte, dass es eine gute Idee sei, mit der Bahn zu fahren. Für den Hin­weg traf das auch zu. Aber nach dem Ende der Ver­anstal­tung hätte ich mit meinem total müden Sohn 20 Minuten auf die Bahn warten müssen. Fre­itag abends gegen 23 Uhr wohlge­merkt. Was blieb uns anderes übrig als ein Taxi zu nehmen?

Das passiert dem Bah­n­fahrer in Köln übri­gens sehr häu­fig, dass am Woch­enende Abends die Bah­nen nur noch im 30-Minuten-Takt fahren. Für eine Großs­tadt gle­ich­falls ein Und­ing.

Die gewählten Streck­en sind keine beson­ders schlecht­en Verbindung, son­der ganz “nor­male” und viel genutzte Streck­en. Bei beson­ders schlecht­en Verbindun­gen sind die Zeit­en im ÖPNV unterirdisch. Dazu zählen alle Querverbindung, da in Köln das Nahverkehrsnetz auf das Zen­trum aus­gerichtet ist.

Preise im ÖPNV

Die Preise für den ÖPNV steigen in Köln kon­tinuier­lich. Zusät­zlich ist das Tar­if­sys­tem extremst unüber­sichtlich und für jede erden­kliche Möglichkeit wer­den Son­der­preise aus­gelobt.

In Köln gibt es 10(!) Tar­if­stufen mit über 22 Tick­ets, was in Summe über 220 Möglichkeit­en gibt, an ein Tick­et zu gelan­gen.

In Köln kostet ein Einzelfahrschein für Erwach­sene 3,00 Euro, für ein
Kind 1,60 (in der Preis­stufe 1b, die für viele Fahrten inner­halb Köln genutzt wer­den kann). Kinder sind bei den Köl­ner Verkehrs­be­trieben Kinder im Alter
von 6 bis 14 Jahren. Kinder unter sechs Jahren fahren kosten­frei,
Kinder über 14 Jahren zahlen Erwach­se­nen­preise.

Wenn eine fün­fköp­fige Fam­i­lie inner­halb Köln mit der Bahn unter­wegs
sein möchte, wer­den mal eben 21 Euro fäl­lig (für Hin- und Rück­fahrt). Es
sei denn, man kann sich durch den Dschun­gel von 10 Tar­ifge­bi­eten und 22
möglichen Fahrscheinen ohne diverse Son­der­tar­ife durchkämpfen und kauft
eine Tageskarte für fünf Per­so­n­en für 13,40 Euro.

Das Kuriose: Selb­st die Nutzung von Share Now (die aus dem
Zusam­men­schluss von Car2Go und Dri­ve Now her­vorge­gan­gen sind) ist
deut­lich gün­stiger als der ÖPNV. Dabei sind wir zeitlich flex­i­bler und zudem mobil­er.

Fazit

Lei­der gibt es haufen­weise Beispiele, warum die Bahn und der öffentliche Per­so­nen­nahverkehr keine wirk­liche Alter­na­tive gegenüber dem Auto darstellt. Kein Wun­der, dass der Deutsche am Auto fes­thält und die Lob­by der­art stark ist. Selb­st den­jeni­gen, die gewil­lt sind, auf das Auto zu verzicht­en, wer­den immer wieder Steine in den Weg gelegt und es wird ihnen schein­bar so schw­er wie möglich gemacht. Hier muss endlich die Poli­tik ein­greifen und die Möglichkeit­en schaf­fen, um auf das Auto zu verzicht­en, denn vom Aben­teuer Fahrad fahren in ein­er deutschen Großs­tadt haben wir noch gar nicht gesprochen.

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