CMT oder HMSN im Allgemeinen

Chronisch kranken Patienten wird empfohlen, selbst Experte für ihre Erkrankung zu werden. Dies ist sehr hilfreich, um Ärzten, Therapeuten und Angehörigen nicht nur mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, sondern auch um Behandlungen und Therapien anzustoßen und bewerten zu können. Für die Aufgabe, hinsichtlich CMT bzw. HMSN ein Experte zu werden, durchstreife ich immer wieder die Weiten des Internets, um die bruchstückhaften Informationen einzusammeln. Und da ich ein Freund des Informationsaustauschs bin, stelle ich diese Informationen in diesem Beitrag zusammen.

Hinweis: Wie bei allen medizinischen Themen übernehme ich keine Haftung für die zusammengetragenen Informationen. Die Recherche im Internet ersetzt keinen Besuch bei den Fachärzten. Ich selbst habe keine medizinische Ausbildung genossen. Alle Informationen ohne Garantie. Eine Vollständigkeit kann nicht geprüft werden.

Übersicht

CMT (Charcot-Marie-Tooth) ist die häufigste genetische Erkrankung in der Neurologie mit einer Prävalenz von 1:2.500 Lebendgeburten (eine Erkrankung ist selten, wenn sie mit einer Prävalenz von über 1:2.000 Lebendgeburten auftritt). Die Prävalenz ist (vereinfacht gesagt) im medizinischen Sinne lediglich ein anderes Wort für eine statistische Kennzahl.

Bei einer Bevölkerung von ca. 80 Mio. Bürgern sind in Deutschland ca. 32.000 Menschen von CMT betroffen. Davon haben 80% die Form der CMT, die als Typ CMT 1A bekannt ist. Die anderen 20% sind von einer der unzähligen Unterformen betroffen. (Hinweis: Je nach Veröffentlichung variieren diese Zahlen.)

Bei den genetischen Erkrankungen gibt es ganz grob gesprochen diese drei Formen:

  • Hereditäre motorische und sensible Neuropathie (HMSN deutsches synonym für CMT)
  • Hereditäre Neuropathie mit Neigung zu Druckparesen (HNPP)
  • Hereditäre sensible und autonome Neuropathie (HSAN)

Für die Diagnose ist die Elektrophysiologie die für Ärzte entscheidende Untersuchung. Wenn die NLG (Nervenleitgeschwindigkeit) unter 25 m/s liegt, können die Neurologen an der Nervenantwort erkennen, ob eine HMSN vorliegt und manchmal auch schon den Typen zumindest eingrenzen.

Zum Beispiel liegt in meinem Fall vermutlich der Typ CMTX vor. CMTX ist eine x-chromosomal vererbter Typus (wird dominant vererbt), der als Mischform auftritt und sowohl demyelinisierend (die Hüllenstruktur eines Nerv schädigt) als auch axonal (der Nerv selbst schädigend) den Nerv schädigt.

Erst im Anschluss an die Untersuchung der Elektrophysiologie folgt die genetische Diagnostik. Wenn eine HMSN 1A ausgeschlossen werden kann, muss sehr aufwändig nach anderen Genorten gesucht werden, die evtl. für die HMSN verantwortlich sind. Es gibt neuerdings die Möglichkeit über eine Gen-Chip-Analyse sehr viele Gene gleichzeitig zu prüfen. Dieses auch als NSG (Next generation sequencing) bezeichnete Verfahren wird aber von den gesetzlichen Kassen (zumindest derzeit) nicht bzw. nur stark eingeschränkt bezahlt.

Es ist noch immer so, dass nur 75%-80% der HMSN-Typen erkannt werden, weil nur nach Genen gesucht werden kann, die als Auslöser für die Erkrankung bekannt sind. Mit dieser Methode werden keine neuen Gene gefunden. Im Gegenzug heißt das, dass 20%-25% der Betroffenen ohne genetische Bestätigung leben müssen.

An dieser Stelle ist interessant, dass eine Nerven- und Muskelbiopsie für eine Diagnostik der CMT üblicherweise nicht mehr herangezogen wird. Es handelt sich um eine vermeidbare Diagnostik, die nicht mehr sinnvoll ist. Nun, in meinem Fall wurde diese Diagnostik leider noch durchgeführt. Viel mehr an Erkenntnis haben diese Biopsien aber nicht gebracht. Sie waren also in der Tat vermeidbar.

Symptome

Die CMT ist eine distal auftretende Erkrankung. “Distal” bedeutet, dass zuerst Körperregionen betroffen sind, die weiter von der Körpermitte entfernt liegen. Das heißt, dass zuerst die Beine und Füße betroffen sind und erst später die Hände. Die Degeneration der Nerven äußert sich z.B. in einem Kribbeln, Ameisenlauf, Krämpfen, (neuropathischen) Schmerzen, Lähmungen oder brennenden Schmerzen. Manchmal fühlt es sich so an, als würde man im Feuer stehen. Im Gegensatz dazu löst Kälte oftmals einen Juckreiz aus. Wer seinen Drang zum Kratzen nicht unterdrücken kann, verstärkt damit den Juckreiz, wodurch ein Teufelskreis hervorgerufen werden kann.

Auch wenn die Erkrankung fortschreitend ist, so ist die Beckenmuskulatur für gewöhnlich nicht betroffen. So hoch klettert die Degeneration also nicht.

Bei den neuropathischen Missempfindungen und Schmerzen kann evtl. Pregabalin helfen. Eines der wenigen Medikamenten, die Betroffene nehmen können, um Symptome zu lindern. Manche Betroffene berichten aber auch, dass Cannabis ihnen geholfen hat.

Gut 70% der Erkrankten haben Fußveränderungen. Von diesen Erkrankten haben ca. 30% eine Fußoperation durchführen lassen. Die Operationen äußern sich in vielen Methoden, was operiert wird (z.B. Kürzung von Sehnen oder Knochen). Es gibt aber keine wissenschaftlich fundierte Studien, die bestätigen, dass eine solche OP langfristig sinnvoll ist. Die Empfehlung ist, dass der Patient ein Fußzentrum aufsucht, in dem schon einige Patienten mit CMT operiert wurden. Eine Liste mit solchen Kompetenzzentren ist mir leider nicht bekannt. Auch wird hinsichtlich der Fuß-OPs empfohlen, eine Zweitmeinung einholen.

Eine relativ neue Erkenntnis liegt darin, dass CMT als Systemerkrankung erkannt wurde. Es werden also nicht nur die peripheren Nerven geschädigt, sondern es ist auch das autonome Nervensystem betroffen. Das äußert sich dadurch, dass andere Körperregionen betroffen sein können. Darunter fällt ein vermehrtes Schwitzen, Probleme im Magen-Darm-Trakt, Schwerhörigkeit oder eine neurogene Blase. Nur selten ist die Lunge und die Atmung betroffen. Nicht betroffen sind Herz oder Leber.

Darüber hinaus ist ein erhöhter CK-Wert mit einem Wert um die 1.000 U/l nicht ungewöhnlich. Dieser Wert schädigt weder die Nieren noch die Leber.

Therapie

Es schwappt wieder ein neudeutsches Wort nach Deutschland. Es wird oftmals nicht mehr von einer Behinderung gesprochen, sondern von einem Impairment. Direkt übersetzt heißt dieses Wort Beeinträchtigung. In diesem Zusammenhang wurde eine Impairment-basierte Therapieplanung für CMT-Patienten entwickelt.

Zuerst wurde eine Idee formuliert, dass bei CMT nicht alle Nerven geschädigt werden und einzelne Muskelfasern noch Signale erhalten. Diese funktionierenden Muskelfasern sollen nun trainiert werden können. Es bleibt dabei, dass nur die Symptome therapiert werden können, aber doch anders als noch vor 10 Jahren.

Als Therapie werden die Themengebiete Sensibilität, Ausdauer, Kraftdefizit, Gehen und Stehen angegangen. Mit den unterschiedlichsten Methoden kann mit einem moderaten Training der Krankheitsverlauf aufgehalten und teilweise sogar Verbesserungen herbeigeführt werden. Während meiner Reha wurden dies auch schon so praktiziert. Es gilt aber weiterhin die Maßgabe, dass eine (dauerhafte) Überforderung die Symptome der CMT irreversibel verstärkt. Auch dies habe ich in der Reha am eigenen Körper erfahren.

An dieser Stelle der Hinweis, dass CMT ab dem 01.01.2023 in den Katalog der Langzeitverordnungen aufgenommen wird. Damit wird eine langfristige Versorgung der Patienten gewährleistet. Ein Schritt, auf den Patienten schon lange gewartet haben.

Covid-19 & CMT

Ärzte haben grundsätzlich beobachtet, das Patienten mit Nervenkrankheiten (nicht nur CMT) nach einer Covid-Infektion mit einer irreversiblen Verschlechterung ihres Gesundheitzustands zutun haben. Es ist bei diesen Patienten ein schwerer Krankheitsverlauf zu erwarten. Aus diesem Grund wurde und wird eine Impfung zweifellos empfohlen.

Es wurde in den vergangenen Covid-Wellen beobachtet, dass bei den CMT-Patienten, die sich (durch die Lock-downs) weniger bewegt haben, eine Steigerung in der Intensität der Schmerzen zu beobachten war.

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