Der unkündbare schwerbehinderte Arbeitnehmer?!?

Wenn ein Arbeit­ge­ber keinen schwer­be­hin­derten Men­schen beschäftigt, kann es teuer wer­den. Es ste­ht geschrieben im

Sozialge­set­zbuch (SGB IX), Neuntes Buch, Reha­bil­i­ta­tion und Teil­habe von Men­schen mit Behin­derun­gen

§ 160 SGB IX Aus­gle­ichsab­gabe, Absatz 2:
720 Euro bei ein­er jahres­durch­schnit­tlichen Beschäf­ti­gungsquote von 0 Prozent.

Wenn ein klein­er Arbeit­ge­ber also keinen Schwer­be­hin­derten eingestellt hat, so muss er pro fehlen­der Stelle 720 Euro im Monat an das für ihn zuständi­ge Inte­gra­tionsamt abführen. Wie viele Men­schen mit Behin­derung eingestellt wer­den müssen, ist von der Größe des Arbeit­ge­bers abhängig. Das kann sich dur­chaus sum­mieren. So muss eine mit­tel­ständis­che Fir­ma mit 200 Mitar­beit­ern pro Jahr 86.400 Euro zahlen. Wenn nur ein einziger Mitar­beit­er mit ein­er anerkan­nten Schwer­be­hin­derung beschäftigt wird, so hal­biert sich dieser Satz auf 39.240 Euro pro Jahr.

Damit sollte doch eine Stelle geschaf­fen wer­den kön­nen, die mit einem schwer­be­hin­derten Men­schen beset­zt wird, der eben­so pro­duk­tiv ist, wie andere Mitar­beit­er ohne eine Schwer­be­hin­derung. Mehr zu den Vorteilen für Arbeit­ge­ber, die schwer­be­hin­derte Men­schen anstellen, am Ende des Beitrags.

Wie bei allen rechtlichen The­men beste­ht kein Anspruch auf juris­tis­che Kor­rek­theit. Dieser Beitrag erset­zt keinen Anwalt. Er dient lediglich dazu, dass Arbeit­nehmer wie Arbeit­ge­ber eine Idee davon bekom­men, was es bedeutet, einen schwer­be­hin­derten Men­schen in Lohn und Brot zu haben.

Mit Zustimmung

Viele Arbeit­ge­ber weigern sich, einen Men­schen mit ein­er Schwer­be­hin­derung einzustellen, weil er als unkünd­bar gilt. Und in der Tat kann ohne vorherige Zus­tim­mung des Inte­gra­tionsamts einem Mitar­beit­er mit Schwer­be­hin­derung eine Kündi­gung von­seit­en des Arbeit­ge­bers nicht aus­ge­sprochen wer­den.

Der Arbeit­ge­ber muss unab­hängig davon vor Ausspruch der Kündi­gung die SBV (Schwer­be­hin­derten­vertre­tung) beteili­gen. Ist eine SBV nicht vorhan­den, so übern­immt der Betrieb­srat diese Funk­tion. Diese Beteili­gung kann par­al­lel zum Zus­tim­mungsver­fahren beim Inte­gra­tionsamt erfol­gen. Auch in diesem Fall ist die Kündi­gung unwirk­sam, wenn der Arbeit­ge­ber dies unter­lässt. Dieser Punkt ent­fällt, wenn keine SBV bzw. ein BR im Betrieb vorhan­den ist.

Beantragt der Arbeit­ge­ber die Zus­tim­mung zur Kündi­gung eines Men­schen mit Schwer­be­hin­derung beim Inte­gra­tionsamt, muss er zwin­gend einen Kündi­gungs­grund angeben. Üblicher­weise kom­men diese Gründe in Betra­cht:

  • eine betrieb­s­be­d­ingte Kündi­gung (zum Beispiel Insol­ven­zver­fahren)
  • eine per­so­n­enbe­d­ingte Kündi­gung (zum Beispiel krankheits­be­d­ingte Fehlzeit­en)
  • eine ver­hal­tens­be­d­ingte Kündi­gung (zum Beispiel Störun­gen im Ver­trauens­bere­ich)

Auch ist die Art der Kündi­gung anzugeben. Hier gibt es die

  • ordentliche Kündi­gung
  • außeror­dentliche (frist­lose) Kündi­gung
  • Änderungskündi­gun­gen

Das Inte­gra­tionsamt prüft maßge­blich, ob die Kündi­gung auf­grund der Behin­derung aus­ge­sprochen wurde. Es wer­den zusät­zlich die Größe und wirtschaftliche Sit­u­a­tion des Arbeit­ge­bers sowie die Erfül­lung der Beschäf­ti­gungspflicht geprüft. Dabei spielt die Art und Schwere der Behin­derung, die per­sön­lichen Ver­hält­nisse, das Alter des Arbeit­nehmers, die Dauer der Betrieb­szuge­hörigkeit und sog­ar die Chan­cen, eine neue Anstel­lung zu find­en eine Rolle.

Eben­falls Teil der Prü­fung sind die Maß­nah­men, die seit­ens des Arbeit­ge­bers getrof­fen wur­den, um eine Kündi­gung abzuwen­den. Alle anderen Gründe wer­den nicht betra­chtet. Vor allem auch nicht der Aspekt der sozialen Gerechtigkeit, also der Ver­gle­ich zu anderen Angestell­ten in ver­gle­ich­baren Posi­tio­nen.. Dies ist die Auf­gabe für ein Arbeits­gericht.

Inter­es­sant ist, dass der Arbeit­ge­ber die Kündi­gung nicht nachträglich durch das Inte­gra­tionsamt genehmi­gen lassen kann.

Ohne Zustimmung

Es gibt aber auch Gründe für eine Kündi­gung, wo eine Zus­tim­mung durch das Inte­gra­tionsamt nicht notwendig sind. Dazu gehört z.B. die Kündi­gung, die vom Arbeit­nehmer aus­ge­sprochen wird (also wenn man selb­st kündigt) oder wenn inner­halb der ersten 6 Monate (in der Probezeit) die Kündi­gung wirk­sam wird. Auch bei einem ein­vernehm­lichen Aufhe­bungsver­trag muss das Inte­gra­tionsamt nicht eingeschal­tet wer­den.

Inter­es­sant ist, dass schwer­be­hin­derte Arbeit­nehmer, die das 58. Leben­s­jahr vol­len­det haben und einen Anspruch auf eine Abfind­ung haben, eben­falls ohne Zus­tim­mung des Inte­gra­tionsamtes gekündigt wer­den kön­nen.

Etwas kurios ist die wit­terungs­be­d­ingte Kündi­gung, die aus­ge­sprochen wer­den darf, wenn der Arbeit­ge­ber eine verbindliche Wiedere­in­stel­lungszusage gegeben hat. Ver­mut­lich ist hier gemeint, dass wenn z.B. ein Betrieb auf­grund von Hochwass­er zer­stört wurde, dem Arbeit­nehmer gekündigt wer­den darf, wenn er wieder eingestellt wird, wenn die Fir­ma wieder aufge­baut wurde.

Natür­lich muss die Schwer­be­hin­derung offiziell anerkan­nt und dem Arbeit­ge­ber mit­geteilt wor­den sein. Als schwer­be­hin­dert gilt der Arbeit­nehmer, wenn ein Grad der Behin­derung von min­destens 50 fest­gestellt wurde. Bei einem Grad der Behin­derung von 30 oder 40 muss die Gle­ich­stel­lung mit einem schwer­be­hin­derten Men­schen anerkan­nt wor­den sein. Eine nachträgliche Bekan­nt­machung ist nicht zuläs­sig.

Weit­ere Stolper­steine
Es gibt noch weit­ere Nachteil­saus­gle­iche, die von schwer­be­hin­derten Men­schen in Anspruch genom­men wer­den kön­nen. Dazu gehören z.B. die fünf zusät­zlichen Urlaub­stage und ein mehr oder min­der regelmäßiger Anspruch auf eine Leis­tung zur medi­zinis­chen Reha­bil­i­ta­tion. Vor allem chro­nisch kranke Men­schen dür­fen in einem eng­maschigerem Modus eine Reha in Anspruch nehmen.

Vorteile für Arbeitgeber

Es gibt nicht nur Nachteile für die Arbeit­ge­ber, son­dern auch Vorteile, wenn schwer­be­hin­derte Men­schen Teil der Betrieb­s­man­nschaft sind.

Finanzen

  • Bei ein­er Eingliederung steuert die Bun­de­sagen­tur für Arbeit Zuschüsse zum Gehalt dazu
  • Die Anpas­sung des Arbeit­splatzes an die Bedürfnisse des schwer­be­hin­derten Arbeit­nehmers wird bezuschusst und teils voll­ständig über­nom­men.
  • Die oben erwäh­nte Aus­gle­ichsab­gabe wird reduziert oder ent­fällt.

Loy­al­ität

  • Durch den beson­deren Kündi­gungss­chutz wird eine sta­bile Arbeits­beziehung aufge­baut und der Arbeit­nehmer ans Unternehmen gebun­den.
  • Schwer­be­hin­derte Arbeit­nehmer sind meist motiviert­er und brin­gen starke beru­fliche Kom­pe­ten­zen mit.

Es kön­nen ggf. weit­ere Vorteile durch die Betreu­ung der Mitar­beit­er gel­tend gemacht wer­den. Auch sind steuer­liche Vorteile möglich. Hier muss sich der Arbeit­ge­ber an eine Rechts­ber­atung wen­den.

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