Die Kraft der Tier-Mensch-Beziehung

Australian Magpie

Die Geschichte von Saman­ta Bloom ging zuerst durch die sozialen Medi­en und über zwei Buchveröf­fentlichun­gen auch durch die Print-Presse und ist mit­tler­weile weltweit bekan­nt. Die Geschichte wurde ein wenig aus­geschlachtet, aber trotz der medi­alen Präsenz noch immer sehr sym­pa­thisch.

Es begann 2013 mit einem schw­er­wiegen­den Unfall der dreifachen Mut­ter während eines Fam­i­lienurlaubs in Thai­land. Als Folge davon behielt sie eine Quer­schnittsläh­mung zurück und erlebte viele uner­freuliche Dinge, von denen jed­er Betrof­fene auf seine ganz eigene Art zu erzählen weiß. Es kamen dann zwei Dinge zusam­men. Zum einen betrat ein klein­er Vogel das Fam­i­lien­leben und zum anderen ist der Ehe­mann und Vater Cameron Bloom seines Zeichens Fotograf. In Summe ergab dies zahlre­iche Fotos in den sozialen Medi­en, die viel Aufmerk­samkeit erhiel­ten.

Das brachte einen Bild­band her­vor, der 2017 den Weg nach Deutsch­land fand. Eine aus­führliche Rezen­sion zu diesem Buch find­et sich auf meinem Buch­blog (Pen­guin Bloom: Der kleine Vogel, der unsere Fam­i­lie ret­tete). Dieser Bild­band war umrahmt von der Erzäh­lung von Cameron Bloom als Pro­log und einem Brief der Mut­ter Saman­tha Bloom als Epi­log. Schon diese Kom­bi­na­tion aus Bild­band und Erzäh­lung war sehr emo­tion­al und trans­portierte sehr ein­drucksvoll diese Geschichte.

Im Jahre 2021 fand dann auch das Buch von Saman­tha Bloom den Weg nach Deutsch­land, in dem sie sehr aus­führlich über ihr Leben erzählt und wie sie vor und nach ihrem Unfall gelebt hat­te (auch dieses Buch habe ich auf meinem Buch­blog aus­führlich­er vorgestellt: Wieder fliegen ler­nen: Meine Geschichte). Es ist auch dieses Buch, das mit Nao­mi Watts ver­filmt wurde.

Das Buch begin­nt sehr nieder­schmetternd.

Jeden Mor­gen, wenn ich aufwache, sterbe ich ein wenig.

Wie sehr ich mich auch dage­gen sträube – ich muss immer an früher denken. Als ich noch ich war.

Ich trauere um das Leben, das mir genom­men, das mein­er Fam­i­lie gestohlen wurde. Noch immer kann ich kaum glauben, dass alles so gekom­men ist.

(aus dem Pro­log des eBooks bei ca. 5%)

Was sie damit meinte, kommt in dem Buch sehr gut zur Gel­tung, denn sie beschreibt ihr Leben vor dem Unfall als per­fekt. Vielle­icht ist dies angesichts ihrer Sit­u­a­tion ein wenig verk­lärt und beschöni­gend. Denn im Rück­blick mag das Leben ohne Behin­derung aus ihrer Sicht so viel lebenswert­er gewe­sen sein. Trotz allem, wer kann in ein­er solchen Art und Weise von seinem Leben erzählen, wie Saman­tha Bloom in ihrem Buch?

Hätte ich doch nur die Zeit anhal­ten kön­nen.

In diesem Moment war mein Leben per­fekt. Ich war Kranken­schwest­er gewor­den, Ehe­frau und Mut­ter. Ich war mein­er Lei­den­schaft gefol­gt und hat­te wahre Liebe gefun­den, ohne meine Unab­hängigkeit einzubüßen.

Ich war die Per­son, die ich immer hat­te sein wollen.

Die Per­son, die ich noch immer gern wäre.

(bei 35% des e‑Books)

Wer behauptet schon von sich, dass sein Leben per­fekt (gewe­sen) ist. Ich kenne kaum einen Men­schen, der dies in dieser Art und Weise von sich behauptet. Aber genau dieser Umstand ver­stärkt die Emo­tion­al­ität dieser Geschichte. Eine Frau, die ihr per­fek­tes Leben leben kann und darf, wird durch einen Unfall in ein Leben gedrängt, das sie nie leben wollte. Und ste­ht damit stel­lvertre­tend für alle behin­derte Men­schen, die alle ihr Leben in dieser Art und Weise nicht angestrebt haben.

Das Beson­dere an dieser Geschichte ist aber nicht der Schick­salss­chlag, den Mil­lio­nen ander­er Men­schen in ähn­lich­er Weise erlebt haben, son­dern der Vogel, der mehr oder min­der plöt­zlich ins Leben der Fam­i­lie kam und das Leben der Mut­ter ret­tete.

Ich fühlte mich reduziert auf einen Fleis­chk­lumpen […]

In gewiss­er Weise war ich bere­its gestor­ben.

Aber dann brachte mich ein klein­er Vogel zurück ins Leben.

[…]

Noch heute staune ich darüber, dass zwei glänzende Augen und ein paar Gramm Flaum genügten, um mich aus mein­er bit­teren Besin­nungslosigkeit zu ziehen, und dass sie dabei helfen kon­nten, meine Fam­i­lie zu ret­ten. Aber genau das ist passiert.

(bei 58% des e‑Books)

Ich hat­te gedacht, ich würde ihr Leben ret­ten, aber in Wahrheit ret­tete sie meins.

(bei 62% des eBooks)

Lei­der kommt dies im Film über­haupt nicht rüber. Natür­lich trans­portiert der Film die emo­tionale Tief­fahrt der Mut­ter, die her­vor­ra­gend von Nao­mi Watts gespielt wird. Auch find­en sich einige markante Szenen aus dieser Biografie im Film wieder. Das Beson­dere dieser Geschichte kon­nte der Film aber nicht ein­fan­gen. Näm­lich, dass es der Vogel war, der einen der­ar­tig pos­i­tiv­en Ein­fluss nicht nur auf die Mut­ter, son­dern auf alle Fam­i­lien­mit­glieder hat­te.

Trotz dieser tragis­chen Geschichte zeugt sie doch auch von Hoff­nung, dass ein solch­es neues und unge­wolltes Leben den­noch lebenswert ist bzw. sein kann.

Jeden Mor­gen, wenn ich aufwache, sterbe ich ein wenig.

Wie sehr ich mich auch dage­gen sträube – ich muss immer an früher denken. Als ich noch ich war.

Ich trauere um das Leben, das mir genom­men, das mein­er Fam­i­lie gestohlen wurde. Noch immer kann ich kaum glauben, dass alles so gekom­men ist.

[…]

Und dann beginne ich zu leben.

(aus dem Epi­log des eBooks bei 87%)

Alle behin­derten Men­schen kön­nten ihr Leben auf­bauen, dass es wieder lebenswert ist. Dazu sind nicht alle in der Lage. Nicht sel­ten lese und höre ich von Men­schen, die ihre Woh­nung nicht mehr ver­lassen (kön­nen) und ein trau­riges Dasein fris­ten, weil sie keine Freude oder Liebe in ihr Leben lassen. Und obwohl Saman­tha Bloom keine Mut­macherin und keine Inspi­ra­tionsquelle sein möchte, so zeigt sie doch, dass es ein jed­er schaf­fen kann, aus dem Tief­punkt des Lebens, sich wieder nach oben zu hangeln. Oft­mals funk­tion­iert dies mit Hil­fe eines Fre­un­des oder eines treuen Tieres oder gar ein­er Pflanze (auch davon habe ich schon gele­sen, dass z.B. Bon­saibäume eine ähn­liche Kraft haben (kön­nen)).

Zum Schluss schreibt die Autorin an ihre drei Söhne einen Brief, in dem ein Satz fällt, der all­ge­me­ingültig ist und dazu auf­muntert, sich seines eige­nen Lebens bewusst zu wer­den und dieses wertzuschätzen, auch wenn nicht immer alles so rund läuft, wie man sich das erhofft.

Bitte hal­tet nichts für selb­stver­ständlich; achtet auf die beson­deren Details und gebt euer Bestes, um auch die kle­in­sten Freuden und Über­raschun­gen im Leben zu würdi­gen, denn ger­ade diese Dinge wer­den euch am meis­ten fehlen, wenn ihr sie ein­mal ver­lieren soll­tet. Glaubt mir, ich weiß da Bescheid.

(aus dem “Brief an meine drei hüb­schen Jungs” bei 96% des eBooks)

Penguin Bloom

Dieses Buch lebt von den Fotos. Da der Ehe­mann, Vater und Autor des Buchs Cameron Bloom gle­ichzeit­ig als Fotograf arbeit­et, haben die gezeigten Fotos durch­weg eine hohe Qual­ität. Nicht jedes ist über­ra­gend und so manch­es Motiv wieder­holt sich, aber den­noch sind alle der­art sehenswert, dass es Spaß macht, sich das Buch mehrmals anzuschauen.

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Wieder fliegen lernen

Es gibt sehr viele emo­tionale Szenen, die sehr passend mit erstk­las­si­gen Fotos unter­malt sind. Dass der Text etwas knapp aus­ge­fall­en ist, tut dem Buch über­haupt keinen Abbruch. Ganz im Gegen­teil, denn dadurch konzen­tri­ert sich das Buch auf das Wesentliche, zumal das Buch es ger­adezu ein­fordert, mehrfach gele­sen zu wer­den.Zum Review
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