Familien- und Rollstuhlurlaub an der Adria. Teil 4: Venedig

Venedig ist bekannt als die Stadt im Meer, die langsam im selbigen langsam untergeht. Die Häuser stehen alle auf kleinen Inseln, die durch zahlreiche Kanäle getrennt sind. Ich weiß nicht, ob wirklich jemand die Anzahl der Inseln gezählt hat, aber es sollen über 100 sein, die mit über 400 Brücken verbunden sind. Aufgrund der Größe der Inseln und der Wege zwischen den Häusern, sind die Brücken oftmals sehr klein und haben Stufen. Für Rollstuhlfahrer nicht die besten Voraussetzungen. Ich Nachhinein würde ich durchaus sagen, dass Venedig keine barrierefreie Stadt ist und sich für Rollstuhlfahrer nur eingeschränkt eignet.

Dennoch kann man es wagen, die Stadt auch im Rollstuhl zu erkunden, man benötigt nur deutlich mehr Zeit als Fußgänger und man sollte sich darauf einstellen, öfters vor Hindernissen zu stehen. Meine Familie war ein weiteres Mal ohne mich in der Stadt und es war ein vollkommen anderes Erlebnis für sie, was ich überaus nachvollziehen kann.

Anfahrt

Wir haben außerhalb von Venedig übernachtet und sind für einen Tagesausflug in die Stadt gefahren. Den Empfehlungen anderer Reisender folgend, sind wir mit dem PKW angereist und haben uns ins Parkhaus Tronchetto gestellt.

Als meine Familie das zweite Mal ohne mich angereist ist, haben sie die Fähre von Punta Sabbioni genommen. Im Ticketpreis war ein Parkplatz vor Ort inklusive. Sie waren der Meinung, dass diese Anreise deutlich entspannter war. Allerdings ist diese nicht barrierefrei.

INFO: Ja, Venedig im August zu besuchen, ist nicht ideal. Es wird empfohlen, den Besuch auf das Frühjahr oder den Herbst zu legen. Die Stadt heizt sich nämlich wie jede andere Stadt im Hochsommer auf und die Kanäle fangen durchaus an zu müffeln (vor allem, wenn wenig Wind geht).

Nun waren wir nunmal im Sommerurlaub in der Region, weshalb wir im August die Stadt besucht haben. Und ja, sie wird sehr heiß und ja, es müffelt hier und da etwas streng.

Für Rollstuhlfahrer ist der Wasserbus (Vaporetto) das Verkehrsmittel der Wahl, um sich in Venedig zu bewegen. Man kann sich nämlich auf einzelnen Inseln bewegen, muss dann aber anstelle über Brücken mit dem Wasserbus die Insel wechseln.

Die Anlegestellen sind eingeschränkt barrierefrei. Die Rampen, um bis zum Anleger zu gelangen, sind teils mit höheren Hubbeln versehen. Wer Probleme hat über Kabelbrücken zu fahren, wird auch hier Hilfe brauchen. Je nach Tidenhub des Mittelmeers muss man eine Stufe überwinden, um auf einen Wasserbus zu gelangen. Wenn diese zu hoch ist, helfen die Mitarbeiter. Zur Not kann eine Rampe ausgelegt werden. Allerdings fühlt man sich immer ein wenig als Hindernis, denn die Wasserbusse halten wenn möglich so kurz wie möglich an einer Haltestelle.

Hier muss man sich nun vorstellen, dass sich der vordere Teil hoch und runter bewegt und mal gibt es keine Stufe und mal eine zu große, so dass eine Rampe her muss.

Achtung: Früher ist die Linie 2 im Kreis gefahren. Während der Corona-Krise wurde dies eingestellt und seither nicht wieder hergestellt. Die Linie 2 fährt auf der einen Seite zum Markusplatz (zum nördlichen Haltepunkt) und auf der anderen Seite bis zur Rialto-Brücke oder auch zum Markusplatz (zum südlichen Haltepunkt). Wir hatten eine Führung bei einer deutschen Venezianerin gebucht und auch die Einheimischen kennen den Grund nicht, weshalb die Linie 2 nicht wieder wie gewohnt im Kreis fährt. Am Anleger kann man auf die digitalen Anzeigen vertrauen, die die jeweilige Endhaltestellen anzeigen.

Im Sommer ist es nicht nur heiß, sondern auch voll. Und je enger die Straßen, umso weniger Spaß macht es, sich mit dem Rollstuhl durch die Menschenmassen zu drängen. Deshalb ist das Rialto-Viertel weniger für einen Besuch geeignet. Es ist eh so voll, dass auch so mancher Fußgänger dieses Viertel meidet (die Venezianer sagen zu ihren Vierteln “Sechstel“, ich bleibe der Einfachheit halber beim bekannten Viertel).

Der Tipp unserer Reiseführerin: Einfach mal abseits der Touristenströme bewegen und man wird merken, wie schnell weniger Menschen auf den Straßen sind. Ich konnte dies nur eingeschränkt beherzigen, der Rest meiner Familie hat an einem anderen Tag ohne mich diese Erfahrung bestätigen können.

Karten

Welche Viertel man erkundigen möchte, sollte im Vorfeld festgelegt werden. Hier hilft der offizielle Internetauftritt von Venedig, wo für jedes Viertel eine Route empfohlen wird. Die Routenempfehlungen sind nicht nur schriftlich (leider nur auf italienisch) angegeben, sondern es gibt auch eine detaillierte Karte, auf der auch WCs eingezeichnet sind, die von einem Rollstuhlfahrer genutzt werden können. Verständlicherweise hatten wir während eines Tagesausflugs nicht die Zeit, um alle Karten zu testen.

(beides sind unbezahlte externe Infolinks)

Die Karten finde ich übrigens sehr spannend, denn sie zeigen sehr eindrücklich, wie der Bewegungsspielraum eines Rollstuhlfahrers durch die Kanäle begrenzt wird.

Brücken

Nur wenige Brücken sind mit Rampen ausgestattet. Es gibt zwar teils Viertel mit sehr vielen Rampen an den Brücken, aber diese sind nicht selten mit einer Brücke verbunden, die eben keine hat. Ich konnte während eines Tagesausflugs natürlich nicht alle 400 Brücken testen, aber es ist schon so, dass die meisten Brücken für Rollstuhlfahrer nicht passierbar sind (es sei denn, er kann Treppen steigen).

Es gibt zudem Brücken, die recht steile Rampen besitzen. Die Parallelbrücke zur Seufzerbrücke ist eine solche, die ich dank e-motion zwar hochfahren konnte, aber nur mit Hilfe (rückwärts) hinunter. Durch meine Muskelerkrankung konnte ich dies aber auch nur zwei Mal machen. Beim dritten Mal brauchte ich auch zum Hochfahren Unterstützung.

Beobachtung: Es ist erstaunlich, dass wenn es eine Rampe gibt, die Fußgänger bevorzugt diese nutzen. Klar, auch für Fußgänger ist Treppensteigen anstrengender als eine Rampe hochzugehen. Ich fürchte nur, dass dies zu wenig Motivation ist, um noch mehr Brücken entsprechend auszurüsten, zumal bei vielen gar nicht erst ausreichend Platz dafür wäre.

Hier zwei Beispiele von für Rollstuhlfahrer ideale Rampen an den Brücken. Es ist aber auch sehr schön zu sehen, wie viel Platz diese Rampen beanspruchen, weshalb es verständlich ist, dass nicht alle Rampen so ausgestattet werden können.

Touristen

Natürlich haben wir uns auf dem Markusplatz getummelt und durch die Massen bewegt. Meine Familie ist auf den Glockenturm gestiegen (ohne mich) und haben an einem anderen Tag eine Führung durch den Markusdom und den Dogenpalast unternommen. Während ich dabei war, haben wir eine Führung durch Venedig genossen, die ausgesprochen gut war und währenddessen wir allerlei über Venedig in Erfahrung bringen konnten.

Wer im Rollstuhl unterwegs ist, kann diese touristischen Ziele ebenfalls besichtigen. Ich selbst bin aber lieber mit einem meiner Sohne einfach nur mal so durch das Viertel am Markusplatz gefahren, um den Flair der Stadt ein wenig einzufangen.

Wer eine Kleinigkeit essen oder trinken möchte, sollte dies abseits des Markusplatz tun. Dort kostet eine kleine Kugel Eis überschaubare 2 Euro, zwei Kugeln, 3 Euro. Je weiter weg von den Touristenmagneten, umso günstiger ist es. Auch wenn im Netz zu lesen ist, dass man dadurch nur wenige Cent sparen kann, so ist unsere Erfahrung eine andere.

Eine Gondelfahrt ist für Rollstuhlfahrer nicht möglich. Es gab wohl mal eine barrierefreie Gondel, aber die scheint sich nicht gerechnet zu haben. Der Internetauftritt ist offline und vor Ort war nichts dergleichen in Erfahrung zu bringen. Meine Familie hatte allerdings eine Gondelfahrt ohne mich unternommen und während es den Kindern gefiel, war die Meinung meiner Frau, dass es kaum einen Unterschied macht, die Stadt in einer Gondel oder zu Fuß zu erkunden.

So habe ich es auch in einen Tipp im Netz gelesen, was man alles nicht in Venedig machen muss, weil es überbewertet ist.

Die Stadführung haben wir bei Susanne Kunz-Saponaro gebucht. Auf ihrer Website gibt es zahlreiche Infos rund um Venedig und auf Deutsch. Dieser Link ist ebenfalls ein unbezahlter Info-Link.

Ich muss mal

Vor allem Rollstuhlfahrer müssen sich im Vorfeld erkundigen, wo sich ein WC befindet. Und nicht jedes Rollstuhl-WC ist immer erreichbar. Wie oben beschrieben, zeigen die Karten mit den barrierefreien Routen auch die zugänglichen WCs. Nur sollte man sich vor Ort besser nicht auf die Beschilderung verlassen.

Fazit

Für einen Tagesausflug ist Venedig einen Besuch auch für Rollstuhlfahrer möglich. Ob dies auch für Fahrer der größeren Elektrorollstühle gilt, lässt sich schwer beurteilen. Ich bin da skeptisch. Ob ich mehrere Tage in der Stadt verbringen wollen würde, sei dahingestellt, da es verständlicherweise auch nur wenige barrierefreie Übernachtungsmöglichkeiten gibt. Wer auf Frühling oder Herbst ausweicht, muss damit rechnen, dass es zu Hochwasser kommt, währenddessen ein Rollstuhlfahrer die Stadt nicht mehr betreten kann.

Dieser Beitrag ist Teil einer kleinen Reihe zu unserem Rollstuhl- und Familienurlaub an der Adria in der Nähe von Venedig. Der Übersichtsbeitrag zeigt alle in dieser Reihe erschienen Beiträge.

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