Keine Besserung in Sicht! Über das Unverständnis

Es ist erschreck­end, wie wenig Ver­ständ­nis das Umfeld von Men­schen mit ein­er NME (neu­ro­muskuläre Erkrankung) auf­brin­gen. Es lässt sich beobacht­en, dass je enger das soziale Ver­hält­nis zu Per­so­n­en ist, umso weniger Ver­ständ­nis für diese Sit­u­a­tion ist zu beobacht­en.

Ich halte diesen Beitrag ganz bewusst all­ge­mein, möchte aber gle­ichzeit­ig ein wenig Aufk­lärungsar­beit leis­ten, da ich im Gespräch mit Betrof­fe­nen ähn­lich­es ver­nom­men habe.

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Was ist das Problem?

Men­schen, deren Muskeln immer schwäch­er wer­den, kön­nen ihre Glied­maßen im Laufe der Zeit nicht mehr bewe­gen, vor allem, wenn diese belastet wer­den. Diese Belas­tung kann je nach Erkrankung auch ein Glas Wass­er sein. Oder auch ein Glas ohne Wass­er. Auch gle­iche Bewe­gun­gen, die hin­tere­inan­der aus­ge­führt wer­den, wer­den mit jedem Mal schwieriger. Um nicht betrof­fe­nen Men­schen dies zu erk­lären, wird gern zur Löf­felthe­o­rie gegrif­f­en.

Auf der anderen Seite gibt es Erkrankun­gen oder Behin­derun­gen, bei denen eine Verbesserung zu verze­ich­nen ist oder wo sich grund­sät­zlich etwas verbessern kann. Es gibt Erkrankun­gen, bei denen sich Men­schen auf dem »Höhep­unkt« der Erkrankung nicht mehr bewe­gen kön­nen, sich die Bewe­gungs­fähigkeit jedoch wieder zurück­bildet. Auch bei Beschädi­gun­gen am Ner­ven­sys­tem, wie z.B. bei einem Schla­gan­fall oder Quer­schnittsläh­mung ist es möglich, dass sich bes­timmte Fähigkeit­en regener­ieren. Nicht sel­ten ist diese Regen­er­a­tion mit viel Kraftaufwand über einen lan­gen Zeitraum ver­bun­den.

Nun ist es lei­der so, dass eine NME nicht mit einem trau­ma­tis­chen Ereig­nis ver­gle­ich­bar ist.

Der Betrof­fene ist also nicht faul oder träge, son­dern sein Kör­p­er ver­sagt ihm den Dienst.

Was bringt eine Reha, wenn eine NME doch irreversibel den Körper schädigt?

Aktuell ist es noch immer so, dass eine kausale Ther­a­pie für CMT (Char­cot-Marie-Tooth) nicht existiert. Und es ist auch kein Ther­a­pieansatz in greif­bar­er Nähe, selb­st wenn vere­inzelt Forschungsergeb­nisse pub­lik wer­den, die Anlass für eine Hoff­nung geben. CMT wird also weit­er­hin symp­to­ma­tisch ther­a­piert.

Es ist schon erstaunlich, wie sehr eine Reha es ver­mag, kör­pereigene Sys­teme zu aktivieren, damit ein Fortschre­it­en der Erkrankung ver­min­dert wird. Im Gegen­zug zeigt eine regelmäßige Reha dem Patien­ten dur­chaus auf, wo sich was ver­schlechtert hat.

So war bei meinem let­zten Reha-Aufen­thalt der Besuch im Kraftraum obso­let gewor­den. Hier kon­nte ich mit den Gerätschaften nicht mehr viel anfan­gen. Das Wesen mein­er NME ist ja, dass wiederkehrende Hand­lun­gen prob­lema­tisch sind. Und fünf Kilo­gramm mehrfach hin­tere­inan­der zu heben, klappt eben nicht mehr. Warum den so ist, habe ich anhand des »Besteck­kas­tens für Behin­derte« erk­lärt.

Ein »Run­ning Gag« unter den Ther­a­peuten der Rehak­linik ist die Frage, was sich in den let­zten zwei Wochen gebessert hat. Diese wird immer wieder von Assis­ten­zärzten gestellt, die sich nur unzulänglich mit den NME auseinan­derge­set­zt haben. Es wird keine Besserung ein­treten. Und sehr oft merken die von ein­er NME betrof­fe­nen Patien­ten während ihres Aufen­thalts nicht, dass sich etwas geän­dert hat. Das liegt natür­lich auch an dem entschle­u­nigten Tag und der beson­deren Umge­bung.

Erst wenn die Patien­ten wieder zu Hause sind, merken sie, wie gut die Reha angeschla­gen hat. Und dies trifft auf sehr viele Patien­ten zu, mit denen ich gesprochen habe. Deshalb macht es Sinn, die Frage, ob eine Reha etwas gebracht hat, erst nach eini­gen Wochen zu stellen.

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wieder­hole, so ist der Wesen­szug ein­er NME, dass ein Still­stand ein Erfolg ist!

Und wenn alle Löf­fel aufge­braucht sind, dann ist die Erschöp­fung am Ende des Tages keine Trägheit, son­dern ein Zus­tand der Schwäche, der über das Maß hin­aus­ge­ht, das der gesunde Men­sch gerne als Maßstab anset­zt!

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