Wer nicht nur Schwierigkeiten mit dem Laufen hat, sondern auch zusätzlich Einschränkungen in der Hand- oder Armfunktion, freut sich über Antriebsräder am Rollstuhl, die ihn aktiv unterstützen. Die e‑Motion von der Firma Alber sind ein solches Hilfsmittel.
Die Funktionsweise der Räder ist denkbar einfach. Ein Elektromotor in der Radnabe bekommt einen Impuls, wenn über die Greifreifen ein Rad angetrieben wird. Dafür stecken die Greifreifen in besonderen Halterungen, die sich leicht bewegen.
Mit diesem Beitrag teile ich gern meine Erfahrung mit diesem Hilfsmittel. Dieser Beitrag ist nicht gesponsert. Die e‑Motion wurden mir mit einem Eigentumsvorbehalt seitens der Krankenkasse zur Verfügung gestellt.
Bevor ich zu den Fahreigenschaften komme, zuerst ein paar Worte zur Fernbedienung.
Fernbedienung
Die Fernbedienung, die optional zum e‑motion ausgeliefert wird, verfügt über sehr rudimentäre Funktionen. Dazu gehören die Aktivierung der Rückrollverzögerung und die Wahl des Unterstützungsmodus. Außerdem wird der aktuelle Akkuladestand angezeigt. Warum die Fernbedienung dann derart dick und klobig ausfällt, ist mir ein Rätsel. Von der Technik her, würde alles in eine Fernbedienung von der Größe eines USB-Sticks passen. Ja, es stimmt schon, dass der eMotion von Menschen genutzt wird, die eine eingeschränkte Handfunktion haben, aber dennoch hätte die Fernbedienung gern im Hosentaschenformat sein dürfen.
Die Rückrollverzögerung ist etwas tricky, denn sie hält den Rollstuhl bei Steigungen für einige Sekunden, bevor sie das Rad wieder freigibt und man nach hinten rollt. Ist man auf einer Steigung, so hätte ich mir oft gewünscht, dass die Räder den Rollstuhl so lange aktiv halten, bis ich sie wieder antreibe. Dann könnte ich selbst entscheiden, wann es weitergehen kann. Noch besser wäre es natürlich, wenn man als Nutzer zwischen beiden Optionen wählen könnte.
Die von mir am häufigsten genutzt Zusatzfunktion ist die Umstellung zwischen den unterschiedlichen Unterstützungsstufen. Bin ich draußen, so wähle ich Stufe 2, im Innenraum hingegen Stufe 1. Der Unterschied bei beiden Stufen liegt darin, wie kräftig die Elektromotoren beschleunigen. In der Wohnung, im Supermarkt oder auf der Arbeit benötige ich nur wenig Hilfe, während ich mich draußen auf mehr Unterstützung freue.
Fahren
In Köln sind sehr viele Bordsteine über die gesamte Straßenlänge abgesenkt. Das ist super, weil ich so relativ einfach nicht nur auf die Straße wechseln kann, sondern auch wieder zurück auf den Bordstein komme. Ist der Bordstein zu hoch, komme ich mit dem e‑Motion nicht rauf.
Allerdings hat das den Nachteil, dass die Bürgersteige zur Straße hin geneigt sind. Wer das Prinzip einer schiefen Ebene kennt, wird wissen, dass dadurch der Rollstuhl immer wieder gen Straße lenkt. Mit dem e‑Motion sieht dass dann so aus, dass ich das der Straße zugewandte Rad aktiv bremse, während ich das andere antreibe. Das hat mehrere Nachteile. Zum einen fahre ich nicht geradeaus, sondern in leichten Schlangenlinien. Das nutzt das Profil der Räder sichtbar ab.
Zum anderen bremst das abgebremste Rad zu stark, da die Elektromotoren beim Bremsen unterstützen. Die automatische Bremsung hat mich schon relativ oft dem Wahnsinn näher gebracht. Und das nicht nur auf der schiefen Ebene, sondern auch, wenn es leicht bergab geht und ich nur leicht abbremsen möchte, der Rollstuhl aber ein Vollbremsung hinlegt.
Leider gibt es die Funktion Geradeausfahrt nicht, mit der der Rollstuhl automatisch auch auf einer schiefen Ebene gerade gehalten wird. Ist vermutlich regelungstechnisch etwas schwieriger umzusetzen.
Auf geraden Wegen, wie z.B. in einer Fußgängerzone macht der e‑Motion genau das, was er soll. Er unterstützt sehr gut. Nur sind leider in Köln die wenigsten Wege gerade. In allen Stadteilen gibt es viele Ecken und Kanten. Hier braucht es ein wenig Übung, um den zusätzlichen Schub an den Stellen zu aktivieren, wo er benötigt wird.
Als Standard werden Edelstahlgreifreifen an dem Rad angebracht. Diese haben zur Folge, dass die Finger gerne schwarz werden. Hier empfiehlt sich, Überzüge zu installieren.
Ich habe Curved-Greifreifen aufziehen lassen, die ich separat bei der Krankenkasse beantragt habe. Auf diesem Foto ist sehr gut zu sehen, dass die Greifreifen über eine spezielle Halterung an den e‑motion montiert sind. Ein einfacher Wechsel der Greifreifen durch den Anwender oder das Sanitätshaus ist somit nicht möglich.
Auf diesem Foto ist zusätzlich zu sehen, dass ich Mäntel mit Profil hab aufziehen lassen. Als Standard werden die quasi profillosen Räder aufgezogen, mit denen ich immer wieder ins Rutschen gekommen bin.
Jedes Rad verfügt über eine solche weitere Einstellmöglichkeit. Damit lässt sich individuell pro Rad festlegen, ob mehr oder weniger Unterstützung gegeben werden soll.
Ich muss gestehen, dass ich die Unterschiede nicht bemerkt habe, was aber vielleicht auch an meiner Einschränkung liegen mag.
Zusätzlich finde ich, dass die Räder nur sehr schwer zu drehen sind, was wiederum an meiner Einschränkung liegen mag, dass mir einfach die Kraft fehlt.
Akku
Wie lange eine Akkuladung hält, lässt sich schwer sagen, da es davon abhängt, welches Gewicht bei welcher Steigung die Räder antreiben müssen. Ebenso hängt es davon ab, welches Fahrprofil gewählt wird. Je mehr Unterstützung die Räder geben, umso schneller sinkt der Ladestand.
Wenn ich das Fahrprofil “Sensitiv” gewählt habe und auf einer vergleichsweise ebenen Fläche unterwegs bin, so reicht eine Akkuladung für ca. 20 km oder für einen kompletten Tag.
Müssen die Räder Steigungen nehmen oder mehr Gewicht über ein Vorspannrad schieben, so wird die Strecke entsprechend weniger. Es ist also sehr ratsam, vor Ausflügen immer die Räder vollständig aufzuladen.
Bei 10% Ladestand fängt eine der LED an zu blinken und signalisiert so, dass die Akkus geladen werden möchten. Geht es weiter nach unten, so blinkt eine rote LED. Dann bleibt nicht mehr viel Zeit und die Räder schalten sich ab. Wer einen eMotion nutzt, wird bestimmt mal in die Situation kommen. Haben sich die Räder abgeschaltet, so wird das Antreiben des Rollstuhl allein wegen seines Gewichts sehr mühsam und ohne Begleitung quasi unmöglich.
Ein kompletter Ladezyklus dauert bei mir zirka fünf Stunden. Hier empfiehlt es sich, die Räder über Nacht aufzuladen.
Als meine Räder in Reparatur waren und ich Ersatzräder nutzen durfte, so zeigten diese ein anderes Fahrverhalten. Sie wirkten dynamischer und reagierten schneller auf meine Impulse. Allerdings waren die Akkus schon etwas länger im Einsatz und zeigten deutliche Alterserscheinungen. An Steigungen waren die Ersatzräder weniger kräftig und die Akkus wurden schneller leer, so dass ich sie nach jedem Tag an den Strom hängen konnte.
Das Ladegerät ist erstaunlich klobig und sehr groß ausgefallen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da so viel Elektronik enthalten sein muss, dass es derart groß ausgeführt werden muss. Geöffnet habe ich das Netzteil allerdings nicht, weil ansonsten die Garantie erlischt. Wenn man mit dem Rolli in den Urlaub fährt, so ist dieses Ladegerät ein Hindernis, um es z.B. mit auf ein Wanderung zu nehmen, um in einem Café nochmal ein wenig nachzuladen.
Service
Nach einem halben Jahr im Einsatz begann der Antrieb auf einer Seite Geräusche zu machen. Es gab ein regelmäßiges Knacken, das bei jedem Umlauf des Rads zu hören war. Dabei spielte es keine Rolle, ob sich das Rad schnell oder langsam drehte. Das andere Rad hingegen fing zu jammern an. Also mussten beide Antriebe zum Service.
Für den Zeitraum der Reparatur wurden mir zwei Ersatzräder zur Verfügung gestellt, die leider über Standard-Greifreifen verfügten. Der Antrieb über die eMotion-Räder ist für mich aber deutlich wichtiger als die Greifreifen, auch wenn ich den Unterschied deutlich stärker als erwartet gemerkt habe. Vor allem meine Hände wurde derart stark belastet, dass ich abends mit Schmerzen und Kraftlosigkeit zu kämpfen hatte. Allerdings ist es wohl nicht selbstverständlich, dass die Kunden Ersatzräder für den Zeitraum der Reparatur gestellt bekommen, weshalb ich sehr dankbar war, dass Alber dies ermöglichte.
Alber gibt das Versprechen, dass eine Reparatur maximal 5 Tage dauert bzw. ein zu reparierender Antrieb nach 5 Werktagen das Werk wieder verlässt. Leider dauerte die Reparatur in meinem Fall dann doch vier ganze Wochen.
Wie schon erwähnt, schonen meine Greifreifen meine Hände enorm. Schon nach einer Woche tat mir nicht nur der Daumen weh, sondern auch die Handgelenke. Ich fand es sehr erhellend, wie gut die Greifreifen meine Hände bzw. meine Handfunktion schützen. Zum anderen fing auch eines der Ersatzräder nach einer Woche an, Geräusche zu machen. Auch hier gab es ein leises Knacken, das bei jedem Radumlauf auftrat. Nun hoffe ich natürlich, dass die reparierten Räder keine solchen Geräusche mehr machen werden.
Fazit
Auch wenn dieser Beitrag ein paar Defizite der e‑motion-Räder anbringt, bin ich in Summe sehr dankbar dafür, dass ich diese Räder nutzen darf. Sie haben mir bisher sehr gute Dienste geleistet. Allerdings muss sich der Anwender ein bisschen mit diesen Antrieben auseinandersetzen, um die für ihn passende bzw. optimale Einstellung zu finden. Auch muss der Anwender die Räder fahren, um sich daran zu gewöhnen. Und er sollte keine scheu dafür haben.
Ich hoffe, ich konnte dem Leser ein paar Tipps vermitteln, die er vor der Beantragung dieses Rads beachten kann.
Ich habe einen weiteren Beitrag zur App verfasst, in dem ich zeige, was Alber sich damit hat einfallen lassen.
Schon seit Anbeginn des Internets pflegte Eng einen Blog. Und weil es ihm Spaß macht, seine Erfahrungen zu teilen, sind es immer Mischblogs, so wie dieser hier.
Seitdem seine neuromuskuläre Erkrankung einen deutlich größeren Einfluss auf sein Leben hat, befinden sich neben den Beiträgen zur Fotografie, Aquaristik, Reisen, Verbraucherschutz und Technik auch Beiträge zu Gesundheitsthemen auf diesem Blog.
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