Montage des SmartWheels

Manche nennen es Vorspannrad andere Vorsatzrad oder Vorlaufrad. Gemeint sind größere einzelne Räder, die man vor einen Rollstuhl spannen kann, damit dieser besser durch unwegsames Gelände fahren kann. Das Problem bei Rollstuhl besteht nämlich darin, dass die kleinen Vorderräder sehr gut für die Wendigkeit in der Wohnung und der Stadt sind, im Gelände schnell zum Hindernis werden. Da reicht schon ein Waldweg, auf dem kleinere Steinchen liegen, damit das Vorankommen mit dem Rollstuhl erschwert wird.

Es gibt einige Hersteller solcher Vorlaufräder, die teilweise unterschiedliche Konzepte verfolgen. Ich habe mich für das SmartWheel von molab entschieden. Zum einen ist es vergleichsweise klein, lässt sich vorwärts wie rückwärts nutzen und es gibt einen Gepäckträger, den ich auf das SmartWheel schrauben kann.

Ich habe eine kleine Übersicht erstellt, auf der ich alle mir bekannten Vorspannräder aufliste und die ungefähren Preise angebe.

Bedingt durch die Corona-Pandemie und weil ich ein paar Kosten sparen wollte, habe ich mich dafür entschieden das SmartWheel selbst zu montieren. Es gibt zwar auch eine Youtube-Anleitung und molab liefert auch eine Anleitung mit, aber ich mag lieber die bebilderten Anleitung, die ich einfach selbst erstelle.

An dieser Stelle der Hinweis, dass ich das SmartWheel selbst bezahlt habe. Hin und wieder zahlt wohl auch die Krankenkasse ein solches Vorspannrad, aber das dürfte eher die Ausnahme sein. Dieser Artikel ist ein unbezahlter Erfahrungsbericht.

Wer diese Beschreibung vorab liest, um sich über das Vorspannrad zu informieren, dem sei gesagt, dass sich so manches etwas komplizierter anhört als es am Ende ist. Mit ein wenig handwerklichem Geschick, ist die Montage machbar.

Zuerst das Unboxing, wie es auf Neudeutsch so schön heißt. Wie wird das SmartWheel geliefert?

Die Kleinteile werden in kleinen Plastiktütchen geliefert. Darunter sind u.a. die Schrauben und Sattelklemmen. Dann die beiden Halterungen und das vormontierte Rad samt Querstrebe. In meinem Fall auch noch der Gepäckträger, den es optional zu kaufen gibt.

Es hilft, zuerst alles auf Vollständigkeit zu prüfen. In meinem Fall ist z.B. ein Tütchen während des Transport aufgegangen, so dass sich der Inhalt in der Transportkiste verteilt hat.

Um das SmartWheel zu montieren, benötigt man Werkzeug, das vielleicht nicht jeder im Haus hat. Neben einem Satz Inbussschlüsseln und Maulschlüsseln wird vor allem eine Metallsäge, ein 5er Metallbohrer und ein M6 Gewindeschneider benötigt.

Ich nutze einen Sopur Xenon², an dem das SmartWheel befestigt werden soll. Es gilt zu beachten, dass das SmartWheel nicht beliebig an jedem Rollstuhl montiert werden kann. Wenn der Rollstuhl gewechselt wird, muss das SmartWheel entsprechend angepasst werden.

Zuerst wird der Rahmenadapter montiert. Bevor der Rahmenadapter von dem Radadapter gelöst wird, sollte man sich mit der Funktion vertraut machen, wie die beiden miteinander verbunden sind. Dabei muss zuerst die Sicherung nach unten geschwenkt werden, damit die silberne Verriegelung gedreht werden kann. Diese bleibt in der offenen Position, wenn sie um 180° gedreht wird.

Nun können die Rahmenadapter montiert werden. Es gibt keine Vorgabe, auf welcher Höhe sie montiert werden. Ich selbst empfehle aber, zumindest bei größeren Rollstühlen bzw. bei Rollstühlen für größere Nutzer, die Adapter so tief wie möglich zu montieren. Die Position, die ich anfangs gewählt habe, war ein wenig zu hoch, weshalb ich als Orientierung das Querrohr zu den kleinen Vorderrädern als Orientierung genutzt habe.

Die Hauptsache ist, dass beide Halterungen am Ende auf gleicher Höhe sind.

Die Montage selbst ist denkbar einfach. Mit den mitgelieferten Kunststoff-Halbschalen werden diese an das Rohr montiert. Die Halbschalen haben eine kleine Nut, die am besten nach oben zeigen. Dann fallen die Halbschalen bei der Montage nicht nach unten.

Wer nicht weiß, wie herum die Rahmenadapter montiert werden, schaue einfach auf das untere Bild. Die Nut zeigt nach oben, die Wadenbandhalterung (soweit vorhanden) nach hinten und die Halterplatte ist außen.

Die beiden Halterplatten müssen am Ende parallel zueinander stehen..

Nun werden die Radadapter eingehangen und ausgemessen, ob die beiden kleinen Querrohre auf gleicher Höhe sind und ob sie parallel zueinander stehen. Hier sollte es keine Überraschungen geben, wenn oben auf die Hinweise bei den Rahmenadapter geachtet wurden. Falls es hier dennoch Abweichungen gibt, müssen die Rahmenadapter entsprechend angepasst werden.

Wenn alles passt, dann müssen die Schrauben an den Rahmenadaptern fest angezogen werden. Der Hersteller gibt ein Drehmoment von 16 Nm an.

Nun wird die Länge des Querrohrs ausgemessen. Als Maß wird zwischen den beiden Radadapterblechen gemessen. In meinem Fall waren es 480 mm. Davon werden nochmals 6 mm abgezogen. Das macht 474 mm. Das Querrohr wird mit einer Länge von 500 mm geliefert. Es muss also um 26 mm gekürzt werden. Dieser Wert muss nun halbiert werden, damit das Rohr gleichmäßig auf beiden Seiten gekürzt werden kann. In meinem Fall um 13 mm.

Das war in meinem Fall etwas zu viel, aber es gibt ausreichend Spiel. Das gilt auch dafür, wenn das Rohr nicht ganz gerade abgeschnitten wird. Auch hier gibt es ausreichend Spiel. Die Schnittfläche muss nun entgratet werden, damit diese in die Halterung des Radadapters passt.

Nun werden die Sattelklemmen auf die Enden gesteckt. Die Sattelklemmen haben eine Nut. Diese gehört nach außen. Nun werden die Radadapter auf Querrohr gesteckt und das SmartWheel in den Rahmenadaptern eingehangen. Das Querrohr sollte dabei frei beweglich sein.

Anschließend müssen die vier Schrauben an dem Rad gelockert werden. Anschließend sollte auch das Rad beweglich sein. Ist dies nicht der Fall, dann stecken die Klemmscheiben fest in dem Adapter. In unserem Fall sogar sehr fest, so dass wir das Rad komplett abmontiert haben, um die Scheiben mit sanfter Gewalt zu entfernen.

Der Rollstuhl muss für die Folgeschritte aufgebockt werden. Dafür wird irgendetwas mit einer Höhe von zirka 4 cm unter die kleinen Vorderräder gelegt, wie z.B. ein Buch, das gut dafür zweckentfremdet werden kann.

Nun wird zuerst das Rad ausgerichtet. In der Beschreibung steht, dass es mit ein bisschen Vorlauf montiert werden soll. D.h., dass wenn man seitlich draufschaut, sind die beiden silbernen Schrauben parallel zum Boden.

Die vier Schrauben des Rades werden nun festgezogen. Hier gibt der Hersteller ein Drehmoment von 17 Nm an.

Erst jetzt werden die Schrauben der Sattelklemmen festgezogen. An dieser Stelle aber nur mit dem Drehmoment, der auf den Schrauben steht, da diese ansonsten brechen.

Ich hatte das Pech, dass meine auch vorher schon gebrochen ist. Hier kann ich allerdings den molab-Support hervorheben, denn es wurden ohne murren zwei neue Ersatzschellen und zusätzlich ein paar Ersatzschrauben versandt.

Es folgt eine erste Testfahrt. Und da ich relativ groß und schwer bin, verschiebt sich alles ein wenig. Wenn der Rollstuhl absinkt, muss er neu ausgerichtet werden, in dem die vorherigen Schritte nochmals durchgeführt werden.

Im letzten Schritt wird das Querrohr mit den Radadaptern verbohrt. Dadurch wird das SmartWheel dauerhaft an diesen Rollstuhl gebunden. Eine Änderung ist nach dem Verbohren nicht mehr möglich, weshalb dieser Schritt ganz zum Schluss erfolgen sollte.

Zuerst wird ein Loch durch beide Rohre gebohrt.

Anschließend wird mit dem Gewindeschneider das Gewinde geschnitten.

Abschließend kann die mitgelieferte Schraube hereingedreht werden.

Mittlerweile ist das Vorspannrad bei diversen Outdoor-Fahrten dabeigewesen. Zusätzlich nutze ich es regelmäßig für meine Einkäufe. Ohne dieses Rad wäre es mir nicht möglich, ohne Probleme im Supermarkt auch größere Einkäufe zu tätigen. Allein für diese Möglichkeit der Teilhabe am Leben sollte ein solches Rad als Hilfsmittel anerkannt werden. Nur wird man es irgendwann Leid, für jedes Detail kämpfen zu müssen, so dass auch ich mir meine Kräfte für andere Kämpfe aufhebe und mich dafür entschieden habe, dieses Rad privat zu kaufen.

Folgend ein Foto von dem Gespann, wie ich es für gewöhnlich nutze.

Nachteile des Vorspannrads

So praktisch dieses Vorspannrad ist, so gibt es auch Nachteile

Zuerst ein kleinerer Nachteil. Dadurch, dass ich einen Zusatzantrieb verwende, benötigt mein Rollstuhl einen Kippschutz. Dadurch, dass der Rollstuhl vorn angehoben wird, hat der Kippschutz weniger Bodenfreiheit. Im unebenen Gelände setzt dieser dann auch schon mal gerne auf. Dadurch, dass ich mich für diesen Kippschutz entschieden habe (der natürlich eine Sonderausstattung ist), ist es allerdings weniger kritisch, denn dieser ist nicht nur stabil, sondern auch flexibel (im Gegensatz zu dem starren Kippschutz).

Der zweite Nachteil ist deutlich gravierender und betrifft das an- und abkoppeln. Laut Hersteller sollte bei beiden Vorgängen niemand im Rollstuhl sitzen. Beim Ankoppeln kann man das noch ignorieren, beim Abkoppeln hingegen nicht. Das Ankoppeln geht relativ einfach, in dem man einen Wheelie macht. Beim Abkoppeln hingegen lastet ein viel zu großes Gewicht auf den beiden Bolzen, die das Rad in dem Adapter halten.

Wem es möglich ist, der kann versuchen seine Beine links und rechts baumeln zu lassen. Zumindest in meinem Fall entlastet das dieses Gespann in einem ausreichenden Maße, so dass ich das Vorspannrad abkoppeln kann. Besonders praktisch ist dies leider nicht. Ansonsten hilft nur das Umsetzen z.B. in den Kofferraum oder direkt auf den Autositz.

Der dritte Nachteil kommt nur bedingt zum Tragen, denn dieses Vorspannrad hält seine Spur nicht. Andere Vorspannräder halten die Spur auch auf schiefen Ebenen. Das molab-Vorspannrad hat leider den Drang, in Richtung Straße zu fahren, wenn der Bordstein in Richtung Straße abgesenkt ist. Mit viel Gewicht auf dem Gepäckträger kann das manövrieren etwas schwieriger sein. Ich kann mir vorstellen, dass Rollstuhlfahrer ohne Zusatzantrieb einiges an Kraft in den Armen haben müssen, um dem entgegenzusteuern. 

Fazit

In Summe bin ich sehr zufrieden mit diesem Rad. Leider konnte ich im Vorfeld die Räder nirgends testen, so dass ich im Netz nach Informationen suchen musste. Mir persönlich ging es in erster Linie um den Gepäckträger, weshalb ich darauf gesteigerten Wert gelegt habe.

Die meisten anderen Vorspannräder haben keinen Gepäckträger oder nur kleine Taschen, die man in den Rahmen hängen kann. Einen derart stabilen Gepäckträger (den es sogar in einer Schwerlastvariante gibt) habe ich nur bei molab entdeckt. Wer gerade Nachwuchs erwartet, wird den MaxiCosi-Adapter gerne sehen, denn damit lässt sich ein MaxiCosi an das Rad montieren.

Wer mag, kann versuchen das Rad bei seinem Kostenträger geltend zu machen. Aber molab baut vieles als Sonderbau, der für gewöhnlich selbst finanziert werden muss. Am besten wendet man sich direkt an molab und versucht dort ein wenig zu verhandeln und sich das Vorspannrad zusammenstellen zu lassen, das man benötigt.

5 Kommentare

  1. Hallo, vielen Dank für den interessanten und detailreichen Beitrag, das gibt wirklich einen klaren Eindruck! PS: Den Maxi-Cosi Halter gab es glaube ich auch für das Quinty Vorsatzrad von Herrn Föhl. Mit besten Grüßen, Christian.

  2. Hallo, vielen Dank für den ausführlichen Bericht!
    Besonders die detaillierte Montageanleitung und die Aufzählung der je nach Sicht nicht trivialen Nachteile finde ich besonders wertvoll.
    Insbesondere das An-/Abkoppeln nur bei leerem Rollstuhl sind für mich leider das KO-Kriterium, bei allen Vorteilen, die ich auch bei diesem Vorspannrad sehe.
    Viele Grüße
    Dang

  3. Danke für deinen Bericht zum SmartWheel und zur Aufstellung anderer Vosatzräder.

    Ich war selbst unentschieden zwischen dem FreeWheel und dem SmartWheel, habe mir aber im Januar das FreeWheel im Rollistore bestellt. Nach dem Auspacken und der Ansicht einiger YT-Videos ging die Montage an meinem Küschall K-Series denkbar einfach. Nach ein paar Testrunden musste ich nur den Bodenabstand geringfügig anpassen.

    Zu deiner Kritik am FreeWheel bezüglich Vor- und Rückwärtsfahren sei gesagt. Das Prinzip des FreeWheel mit der schiefen Lenkachse ist gerade, dass beim Rückwärtsfahren das Rad nach vorne klappt und sich die Konstruktion absenkt, so dass die Rollstuhllenkräder auf dem Boden aufkommen. An- und Abkoppeln erfolgt somit ohne Spannung.

    Den nicht vorhandenen Gepäckträger (den’s aber wohl gibt) vermisse ich nicht, da ich das FreeWheel auf allen meinen Wegen außer Haus benutze und in der U-Bahn gerne abkopple, um Rolltreppen zu benutzen und im Zug weniger Platz zu benötigen. Nach der Eingewöhnung komme ich mit dem etwas schwammigen Fahrgefühl gut zurecht. Die Spurhaltung mit der Geradeausführung ist ein zusätzlicher Vorteil des FreeWheel.

  4. Ich habe das Smartwheel jetzt bereits seit bestimmt 5 Jahre und bin immer noch begeistert.
    Beim Abkoppeln kann man sich evtl. damit behelfen, dass man auf einem Bordstein bzw. etwas Erhöhtem mit den vorderen Rädern stehen bleibt und das Smartwheel dabei in der Luft hängt. Dann klappt das problemlos. Man muss halt vorne runter kommen und auch wieder hoch 🙂
    Aktuell will ich das Smartwheel von einem Sopur Xenon auf den Küschall Champion übernehmen. da wird mir diese Anleitung bestimmt helfen!
    Vielen Dank dafür!

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