Wo wir Lebensmittel verschwenden: der Auftakt

Noch immer ste­ht die Behaup­tung im Raum, dass die deutschen Pri­vathaushalte für fast 60% der ver­mei­d­baren Lebens­mit­te­labfälle ver­ant­wortlich sind. 78 kg pro Jahr und Kopf fall­en laut dem Bun­desmin­is­teri­um für Ernährung und Land­wirtschaft an. In der Studie selb­st wird davon gesprochen, dass im Schnitt 137 Euro Pro Jahr einges­part wer­den kön­nte. Die Studie stammt aus den Jahren 2016 und 2017 und wurde 2020 stich­probe­nar­tig wieder­holt.

Was ist das Problem mit den Studien?

Beim The­ma Lebens­mit­telver­schwen­dung stützen sich alle Pub­lika­tio­nen auf Stu­di­en, die im Auf­trag des BMEL (Bun­dem­i­nis­teri­ums für Ernährung und Land­wirtschaft) durchge­führt wur­den (alle aktuellen Stu­di­en find­en sich auf der Web­site des BMEL (Zu gut für die Tonne, die Links zu den Stu­di­en ändern sich zu oft, so dass man selb­st auf der Seite suchen muss.). 

Die Stu­di­en wur­den von der GfK (Gesellschaft für Kon­sum­forschung) durchge­führt. Dort hat­ten wir über einen Zeitraum von eini­gen Jahren mit­gemacht, weil wir unseren Beitrag dazu leis­ten woll­ten, aus­re­ichend Dat­en zur Ver­fü­gung zu stellen, damit Stu­di­en auf ein­er gesicherten Basis ste­hen. Bei unserem kleinen Exper­i­ment stellte sich allerd­ings her­aus, dass die Durch­führung der Stu­di­en intrans­par­ent waren, die Ergeb­nisse nicht mit den Teil­nehmern geteilt wur­den und tech­nisch umständlich waren. (siehe unseren Beitrag über die “Unser­iöse Mark­t­forschung”)

Immer­hin ist den Ver­ant­wortlichen aufge­fall­en, dass eine Unter­suchung der organ­is­chen Abfälle aus dem Haus­müll oder gar der Biotonne nicht herange­zo­gen wer­den kann, um festzustellen, wie viele Lebens­mit­tel der Deutsche nun tat­säch­lich weg­wirft. Die ersten Stu­di­en zu den Lebens­mit­te­labfällen haben näm­lich genau das gemacht.

Also hat die GfK Haushalte gesucht, die über einen Zeitraum von 14 Tagen angeben, welche Lebens­mit­tel sie in welchem Zus­tand wegge­wor­fen haben. Dadurch, dass in der Studie angegeben wird, dass die 14 Tagen deshalb gewählt wur­den, weil ein län­ger­er Zeitraum den Proban­den nicht zuzu­muten ist, liegt die Ver­mu­tung nahe, dass die Tech­nik noch immer antiquiert sein dürfte, die bei dem Mark­t­forschung­sun­ternehmen einge­set­zt wird.

Weil die Ver­brauch­er ja per se beschränkt sind, wird diesen erhobe­nen Dat­en nicht geglaubt. Die GfK drückt das etwas diplo­ma­tis­ch­er aus und spricht von ein­er Erhe­bungslücke, weil die Proban­den sicher­lich Lebens­mit­tel weg­w­er­fen, ohne sich daran zu erin­nern. Deshalb wur­den Dat­en aus dem „Haushaltspan­el“ ver­wen­det, um abzuschätzen, wie viele unver­w­ert­bare Lebens­mit­tel­reste zu erwarten gewe­sen wären. Dazu zählen z.B. Knochen oder Schalen. Also wurde ein Fak­tor errech­net, der die erhobe­nen Dat­en an den Erwartungswert anpasst.

Damit hätte man sich das Führen eines Tage­buchs auch schenken kön­nen, denn dieser Kor­rek­tur­fak­tor passt ein­fach die Dat­en des Tage­buchs an die Dat­en aus dem Haushaltspan­el an. Dann hätte man auch gle­ich let­zteres nehmen kön­nen.

Weshalb ist die Datenerhebung so schwer?

Viele organ­is­chen Abfälle, die im Haus­müll oder der Biotonne lan­den, sind keine genießbaren Lebens­mit­tel. In Großstädten gibt es auf­grund man­gel­nder Platzver­hält­nisse noch nicht mal über­all Bioton­nen, so dass der Grün­schnitt oft­mals in der Rest­müll­tonne lan­det. Im Pri­vathaushalt sind es Schalen, Kaf­feesatz und Knochen, die nicht als Lebens­mit­telver­schwen­dung gezählt wer­den wür­fen. 

Aber es gibt Gren­zfälle. Wenn jemand Obst z.B. einen Apfel schält und die Schalen entsorgt, ist das dann Lebens­mit­telver­schwen­dung? Auch wer beim Schälen von z.B. ein­er Kartof­fel die Schale zu großzügig abschnei­det, ist das dann Lebens­mit­telver­schwen­dung? Oder wer den Fet­trand vom Fleisch nicht mitisst oder zu viel Fleisch am Knochen belässt, ist das dann Lebens­mit­telver­schwen­dung? Die GfK sagt ja, dieses Ver­braucherver­hal­ten zählt mit zur ver­mei­d­baren Lebens­mit­te­lentsorgung und damit zur Ver­schwen­dung. Ich sehe das eher nicht so.

Die Unter­schei­dung zwis­chen ver­mei­d­baren und nicht ver­mei­d­baren Lebens­mit­tel­resten macht aber den Unter­schied aus.

Braucht es überhaupt die Zahlen?

Die Presse reit­et gern auf den Zahlen herum und stellt Zahlen irgend­wo zwis­chen 50 und 100 kg in den Raum. Das soll die Menge an Lebens­mit­teln sein, die der Deutsche pro Kopf und Jahr entsorgt, obwohl sie noch genießbar gewe­sen wären.

Ich finde ja, dass die Zahlen vol­lkom­men uner­he­blich sind, denn jedes Gramm an Lebens­mit­teln, die wir weg­w­er­fen, ist eines zu viel. Deshalb habe ich mal eine kleine Fotor­ei­he erstellt, bei der ich zeige, wo wir Lebens­mit­tel entsorgt haben und frage dann, ob dies wirk­lich ver­mei­d­bar gewe­sen wäre. Manch­es sicher­lich, anderes hinge­gen nicht. Aber das muss jed­er für sich selb­st entschei­den. In den näch­sten Wochen wer­den in los­er Folge ein paar Beispiele fol­gen.

Und für die lieben Forschen­den: Erstellt doch mal sin­nvolle und trans­par­ente Stu­di­en, die wirk­lich zeigen, wie viele Lebens­mit­tel in den Haushal­ten entsorgt wer­den. Es ste­ht näm­lich die Ver­mu­tung im Raum, dass die Lob­by­is­ten sehr erfol­gre­ich dabei waren, die ver­mei­d­baren Lebens­mit­te­labfälle in der Land­wirtschaft, im ver­ar­bei­t­en­den Gewerbe und in der Gas­tronomie und Super­märk­ten abzu­lenken.

Und zum Schluss der Unterschied zwischen einem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) und einem Verbrauchsdatum: 

Lebens­mit­tel­her­steller müssen auf ihre ver­pack­ten Lebens­mit­tel ein Min­desthalt­barkeits­da­tum druck­en. Das gilt auch unsin­niger­weise für Lebens­mit­tel, die sich sehr lange hal­ten, wie z.B. Salz, Zuck­er oder Reis. Damit garantiert der Her­steller, dass das Lebens­mit­tel bis min­destens zu diesem Datum genießbar ist, wenn es denn kor­rekt gelagert wird.

Wird das Min­desthalt­barkeits­da­tum über­schrit­ten, heißt das aber noch lange nicht, dass dieses schlecht gewor­den ist. Die meis­ten Lebens­mit­tel sind für gewöhn­lich deut­lich länger genießbar. Ein ein­fach­er “sen­sorisch­er” Test reicht aus, um dies festzustellen. Also ein­fach anschauen, schmeck­en oder riechen.

Es gibt aber Lebens­mit­tel, bei denen kommt man mit dem sen­sorischen Test nicht weit, denn es kann passieren, dass dieses unge­nießbar ist und den­noch gut aussieht. Selb­st wenn es dann ver­ar­beit­et wird, kann es zu ein­er Lebens­mit­telvergif­tung führen, die mitunter lebens­bedrohlich sein kann.

Aus diesem Grund schreiben die Her­steller ein Ver­brauchs­da­tum auf die Ver­pack­ung. Dort ste­hen dann Texte wie “zu ver­brauchen bis”. Wird dieses Datum über­schrit­ten, so muss das Lebens­mit­tel entsorgt wer­den, auch wenn es noch gut aussieht. Das gilt z.B. für frischen Fisch oder Hack­fleisch.

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