Meine Hilfsmittel: Der Weg zum Stehrollstuhl: Teil 1

Im Mai eines schö­nen Jahres (nein, nicht diesen Jahres) hat­te ich in Köln alle großen San­ität­shäuser angeschrieben, die mir von mein­er Krankenkasse emp­fohlen wur­den. Zusät­zlich habe ich einige Her­steller direkt angeschrieben. Der Plan: Eine Möglichkeit zu haben, länger zu ste­hen. Ich kon­nte zu diesem Zeit­punkt zwar noch ste­hen, aber nur wenn ich mich irgend­wo fes­thielt und auch nicht länger als ein oder zwei Minuten. Wenn über­haupt.

Ich hat­te mich vor­ab informiert, welche Möglichkeit­en es gibt, in den Stand zu kom­men. Es gibt Ste­htis­che (die nur schw­er auf Seite gestellt wer­den kön­nen), ver­fahrbare Ste­hgeräte (in denen sich der Anwen­der ste­hend fort­be­we­gen kann), manuelle Stehroll­stüh­le und elek­trische Stehroll­stüh­le. Um auszu­loten, welch­es Sys­tem am besten zu mir passt, habe ich San­ität­shäuser angeschrieben, die ein „Test­cen­ter“ bewer­ben und welche, die mir von der Kasse emp­fohlen wur­den und ich habe mich direkt an die Her­steller der unter­schiedlichen Sys­teme gewandt.

Ich fand es ehrlich gesagt erschreck­end, wie wenig Antworten ich bekom­men habe. Irgend­wie scheint es den San­ität­shäusern und den Her­stellern dieser Sys­teme zu gut zu gehen, dass sie es nicht für nötig gehal­ten haben, mir über­haupt zu antworten.

Es gab auch die Vari­ante, dass ich eine Antwort erhal­ten habe und an einen Mitar­beit­er ver­wiesen wurde. Dieser war aber wed­er tele­fonisch zu erre­ichen, noch hat er zurück­gerufen, noch hat er auf eMails reagiert.

Das Sanitätshaus

Der ursprüngliche Grund, dass ich mich bei unter­schiedlichen San­ität­shäusern gemeldet habe, lag daran, dass meine Krankenkasse die Zusam­me­nar­beit mit “meinem” San­ität­shaus been­det hat. Ich habe natür­lich weit­er­hin die freie Wahl, bei welchem San­ität­shaus ich mich ver­sor­gen lasse, aber es ist unkom­pliziert­er, wenn ich eines wäh­le, mit dem die Krankenkasse Koop­er­a­tionsverträge geschlossen hat.

Die Beantra­gung eines solchen Roll­stuhls ist nicht ein­fach. Ich möchte an dieser Stelle einen Aspekt auf­greifen, der bish­er in Erfahrungs­bericht­en nicht berück­sichtigt wurde. Es heißt im Netz für gewöhn­lich, dass jed­er Arzt ein Hil­f­s­mit­tel­rezept ausstellen kann. Das stimmt natür­lich eben­so wie der Fakt, dass Hil­f­s­mit­tel das Bud­get des Arztes nicht belas­ten. Es ist aber so, dass der Kos­ten­träger (je nach Hil­f­s­mit­tel) beim Arzt nach der medi­zinis­chen Notwendigkeit nach­fra­gen wird. Es ist für den behan­del­nden Arzt unter Umstän­den mit einem deut­lichen Mehraufwand ver­bun­den, mit dem Patien­ten ein solch­es Hil­f­s­mit­tel zu beantra­gen und beim Kos­ten­träger durchzubox­en.

In meinem Fall habe ich über die Krankenkasse einen Stehroll­stuhl beantragt. Das Rezept dafür hat­te meine Neu­rolo­gin aus­gestellt. Allerd­ings hat­te ich eine kleine Vorgeschichte. So wollte ich ursprünglich eine bei­d­seit­ige Ver­sorgung mit ein­er com­put­erges­teuerte Ganzbeinorthese mit Dämp­fung durch­box­en. Es dauerte deut­lich über ein Jahr, bis alle Gutacht­en erstellt und alle Wider­sprüche gestellt und abgelehnt wur­den. Im Zuge dieses Prozess­es wur­den vorgeschla­gen, dass ich nicht mit Ganzbeinorthe­sen ver­sorgt werde, son­dern mit einem Stehroll­stuhl.

Ob eine rechtzeit­ige Ver­sorgung mit Ganzbeinorthe­sen nicht dazu geführt hätte, dass ich nicht so schnell im Roll­stuhl gelandet wäre, werde ich nie her­aus­find­en. Ich habe diesen Vor­gang mit­tler­weile abgeschlossen und akzep­tiere die Sit­u­a­tion so, wie sie ist.

Dieser Vor­gang ist bei der Betra­ch­tung der Ver­sorgung wichtig, denn wenn man liest, dass irgendw­er rel­a­tiv unkom­pliziert und schnell mit einem der­ar­ti­gen Hil­f­s­mit­tel ver­sorgt wurde, dann wer­den näm­lich meist die vor­ange­gan­genen Prozesse nicht erwäh­nt. Es sind natür­lich die sozialen Medi­en, die hier sehr auf­fäl­lig sind, wenn Neid und Unver­ständ­nis gegenüber bes­timmten Krankenkassen geschürt wer­den.

Ich habe immer­hin bei einem San­ität­shaus jeman­den gefun­den, der willig war, mir zu helfen. Die Ste­htis­che fie­len von vorn­here­in weg, da wir in unser­er Woh­nung ein­fach keinen Platz dafür hat­ten und haben. Der Her­steller der ver­fahrbaren Ste­hgeräte hat sich nicht gemeldet und fiel deshalb raus. Von den manuellen Stehroll­stühlen wurde mir abger­at­en, da diese bei meinem Krankheits­bild dazu führen wür­den, dass ich die Roll­stüh­le später nicht bewe­gen könne, da diese sehr schw­er sind. Außer­dem ist die Ste­hfunk­tion rel­a­tiv prob­lema­tisch umge­set­zt, da man nicht in die voll­ständi­ge Senkrechte kommt. Also blieb nur der Elek­tro­roll­stuhl, der bei meinem pro­gres­siv­en Krankheitsver­lauf die bessere Wahl war.

Die freie Wahl hin­sichtlich ein­er Tes­tung hat­te ich nicht, denn es musste ein Stehroll­stuhl eines Her­stellers sein, der sowohl mit dem San­ität­shaus als auch mit der Krankenkasse zusam­me­nar­beit­et. Selb­stver­ständlich kann man jeden x‑beliebigen Her­steller wählen, aber die Bewil­li­gung funk­tion­iert mein­er Erfahrung nach bess­er, wenn entsprechende Verträge beste­hen. Let­zten Endes kon­nte ich nur einen einzi­gen Elek­tro­roll­stuhl testen und hat­te nicht die Möglichkeit, ver­schiedene Sys­teme auszupro­bieren. Ger­ade bei solchen hoch­preisi­gen Sys­te­men sehr bedauern­swert.

Es gibt weit­er­hin die Ein­schränkung, dass wir in ein­er Miet­woh­nung wohnen und der Roll­stuhl natür­lich in die Woh­nung passen muss. Dafür muss er sehr wendig und schmal sein. Dadurch kam nur ein Elek­tro­roll­stuhl mit Mit­te­lantrieb in Frage, der grund­sät­zlich sehr kom­pakt ist. Der Test in mein­er Woh­nung wurde dann im Juni mit einem Q700 up von Sun­rise Med­ical durchge­führt. Im Zuge dieses Tests wurde auch gle­ich ein umfassender Erprobungs­bericht erstellt, der dem Antrag beige­fügt wurde.

Der Antrag

Selb­stver­ständlich hat bei einem so hoch­preisi­gen Hil­f­s­mit­tel die Krankenkasse trotz der Vorgeschichte bei mein­er Neu­rolo­gin so viele Infor­ma­tio­nen erfragt, dass sie recht gen­ervt auf diesen Vor­gang zu sprechen ist. Das bekomme ich als Patient für gewöhn­lich nicht mit, was hin­ter meinem Rück­en für Briefwech­sel stat­tfind­en. Ich bin aber mein­er Neu­rolo­gin sehr dankbar, dass sie sich die Arbeit gemacht hat und diesen Stehroll­stuhl bei der Krankenkasse durchge­boxt hat.

Kurz nach dem Test im Juni gab es ein paar Prob­leme mit mein­er Fachärztin, die das Rezept noch nicht aus­gestellt hat­te, weil sie sich an dem ein oder anderen Wort­laut gestört hat­te. Das hört sich neg­a­tiv­er an als es war, denn sie hat­te sich darauf vor­bere­it­et, dass von der Krankenkasse Rück­fra­gen kom­men wer­den. Und bei solchen Hil­f­s­mit­teln kom­men immer Nach­fra­gen.

Dann geschah eine zeit­lang nichts. Das San­ität­shaus hat­te sich nicht gemeldet und teilte mir nur auf Rück­frage mit, dass die Krankenkasse gerne einen Roll­stuhl von Per­mo­bil nutzen wollte. Nun warte man auf einen Kosten­vo­ran­schlag, was der Roll­stuhl kosten würde bzw. dessen Auf­bere­itung. Das war im August gewe­sen.

Im Sep­tem­ber erhalte ich einen Brief von mein­er Krankenkasse, dass bei der Ärztin weit­ere Infor­ma­tio­nen ange­fragt wur­den. Gle­ichzeit­ig wurde darum gebeten, dass ich ein wenig Geduld haben solle, bis alle Infor­ma­tio­nen beisam­men sind. Ich hätte hier auf mein Recht behar­ren kön­nen, dass ein Antrag in einem bes­timmten Zeitraum zu bear­beit­en ist. Habe ich aber nicht gemacht, um der Krankenkasse zu sig­nal­isieren, dass ich nicht kratzbürstig unter­wegs bin. Das hing auch damit zusam­men, dass die Krankenkasse mir bish­er immer sehr fre­undlich gegenüber agiert hat (auch wenn sie nicht alles bewil­ligt, was ich beantrage) und – was viel wichtiger war – es wurde in einem anderen Fall ein medi­zinis­ches Gutacht­en erstellt, in dem zu einem Elek­tro­roll­stuhl ger­at­en wurde (siehe oben).

Mehr oder weniger plöt­zlich und uner­wartet kam im Okto­ber die Zusage. Die Aus­liefer­ung sollte im Novem­ber erfol­gen, wurde dann aber immer wieder nach hin­ten geschoben. Was ich aber nur mit­bekom­men habe, weil ich das San­ität­shaus angerufen habe. Und man mag es kaum glauben, aber das San­ität­shaus hat sich in kein­er Phase dieses Beschaf­fung­sprozess­es von allein bei mir gemeldet. 

Kein. Einziges. Mal! 

Immer musste ich nach­hak­en, wie der aktuelle Stand war. Ein sehr ent­täuschen­des Ver­hal­ten. Und wenn ich mir den gesamten Beschaf­fung­sprozess anschaue, dann hätte es auch sehr gut ohne dem San­ität­shaus funk­tion­iert. Dann kön­nte ich näm­lich die Repara­turen direkt beim Her­steller abwick­eln und müsste nicht immer den Umweg über das San­ität­shaus gehen. So toll der Roll­stuhl bish­er auch ist, so ent­täuschend war das Ver­hal­ten der San­ität­shäuser. Dazu in einem späteren Beitrag mehr.

Wenn ich bedenke, dass im Juli der Antrag bei der Krankenkasse einge­gan­gen ist und dieser im Sep­tem­ber bewil­ligt wurde, so ist dieser Zeitraum erstaunlich kurz gewe­sen. Alle weit­eren Verzögerun­gen kamen durch andere Umstände zus­tande, die nicht in der Hand der Krankenkasse lagen.

In meinen Erfahrungs­bericht­en zeigt sich, dass man als Patient immer selb­st aktiv wer­den muss. Ich hat­te schon so oft den Ein­druck, dass ich der let­zte war, den man über irgend­was informiert hat­te. Nur wer per­ma­nent nach­hakt und vielle­icht auch ein wenig nervt, kommt zu seinem Recht. Das ist auch der Grund, weshalb so viele Anträge direkt abgelehnt wer­den. Weil viele Patien­ten nicht mehr die Kraft haben, in den Wider­spruch zu gehen. Oder ein­fach nicht wis­sen, was ihr gutes Recht ist.

Ich möchte aber auch nie­man­den anprangern, weshalb ich ganz bewusst keine Namen der Her­steller und San­ität­shäuser nenne, die sich in meinem Fall nicht gemeldet haben.

Welch­er Roll­stuhl ist es am Ende gewor­den? Das zeige ich in meinem zweit­en Beitrag.

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