Die Tomate von Köln

Als ich durch meine alten Web­seit­en stöberte, um meinen Beitrag „25 Jahre im Netz“ zu schreiben, bin ich auf dieses kleine Foto gestoßen. Darauf zu sehen, wie einige Jugendliche, einen großen weißen Klotz zu ein­er Skulp­tur formten. Es han­delt sich um Schüler des Kun­stleis­tungskurs­es des Abi-Jahrgangs 1995 des dama­li­gen Gym­na­si­ums Füh­linger Weg, die im Jahre 1993 diese Skulp­tur zusam­men mit dem bekan­nten Köl­ner Kün­stler Bern­ward Prinz erschufen.

kunst

Über die Skulp­tur auf dem Paris­er Platz gibt es eine Stan­dard­beschrei­bung, die bei jed­er Veröf­fentlichung zitiert wird. Diese lautet fol­gen­der­maßen:
Auf den Paris­er Platz wurde die Skulp­tur 1993 im Rah­men der Aktionswoche „Kun­st im Köl­ner Nor­den“ aufgestellt. Der Chor­weil­er Bild­hauer Bern­ward Prinz nahm als Schüler­pro­jekt den „40. Geburt­stag des Ketchups“ augen­zwinkernd zum Anlass, dort in den Far­ben rot und weiß ein Werk aus Hän­den und Tomate zu schaf­fen. Seit­dem stellt das Objekt eine Art iden­titätss­tif­tende Skulp­tur im öffentlichen Raum für den Stadt­bezirk dar.

Diese Skulp­tur wurde nicht nur anlässlich des „Geburt­stages des Ketchups“ ent­wor­fen, son­dern die Skulp­tur stellte auch eine gesellschaftliche Kri­tik dar, die sich gegen die Amerikanisierung der dama­li­gen Gesellschaft stellte. Schon vor 30 Jahren war zu erken­nen, wie stark sich Deutsch­land von den USA abhängig machte und mit dieser Skulp­tur sollte ein Zeichen geset­zt wer­den, um der Gesellschaft dies bewusst zu machen. Verge­blich, wie die erste Amtspe­ri­ode des US-Präsi­den­ten Don­ald Trump zeigte. Und viele befürcht­en schlim­meres angesichts sein­er zweit­en Amt­szeit.

Woher ich das weiß? Weil ich damals Schüler war und diese Skulp­tur zusam­men mit dem Kün­stler Bern­ward Prinz erschaf­fen habe. Begonnen haben die Arbeit­en mit der Mauerung der Steine. Das Fun­da­ment wurde zuvor von der Stadt gegossen, auf das die Ytong-Steine hochge­mauert wur­den. Anschließend haben wir mit Press­lufthäm­mern die grobe Struk­tur aus diesem Block ent­fer­nt. Anschließend ging es mit Ham­mer und Meisel weit­er. Zuerst gröbere Werkzeuge und anschließend immer feinere bis wir die Hände und die Tomate freigelegt hat­ten.

Anfangs waren acht Schüler an dem Pro­jekt beteiligt, aber nach und nach schwan­den die aktiv­en Teil­nehmer. Vielle­icht auch, weil wir die Som­mer­fe­rien genutzt haben, um an der Skulp­tur zu bear­beit­en. Am Ende waren nur noch zwei Schüler zusam­men mit dem Kün­stler beteiligt. Fol­gen­des Foto habe ich auf der Web­seite des Kün­stlers gefun­den, auf dem er selb­st und die Schü­lerin zu sehen sind, wie sie an den Hän­den der Skulp­tur arbeit­en.

Ich selb­st war damals kam­erascheu (gut möglich, dass ich das Foto gemacht habe, bin mir aber nicht mehr sich­er) und in ein­er „mir ist alles vol­lkom­men egal“ Phase. Ich kann mich noch gut erin­nern, wie agro ich damals war. Lei­der habe ich alle Orig­i­nal-Fotos nicht mehr, so dass ich auf diese kleinen Bild­chen zurück­greifen muss, die für die dama­li­gen Web­sites sehr verklein­ert wer­den mussten.

Mir war sein­erzeit gar nicht bewusst, dass eine Skulp­tur, an der jed­er Bewohn­er des Köl­ner Nor­dens vorge­hen musste, weil sich dort das Bürg­erzen­trum befind­et, eine prä­gende Wirkung hat. Rück­blick­end ist das natür­lich logisch. Es ist nur lei­der die ursprüngliche Botschaft ver­loren gegan­gen, was es mit der Tomate auf sich hat, die von den Hän­den ehrfurchtsvoll in die Höhe gereckt wird.

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Schon aus der Ferne erregt die Skulp­tur die Aufmerk­samkeit.

Mit­tler­weile nagt der Zahn der Zeit an der Skulp­tur, die 2022 zum 50 jähri­gen Beste­hen des Köl­ner Stadt­teils Chor­weil­er umgestal­tet wurde. Jugendliche aus der Jugendw­erk­statt “Out­line e.V.” haben unter Anleitung von Puya Bagheri das Design entwick­elt und umge­set­zt.

Dies ist die Ansicht, aus der deut­lich wird, wie die Hände ehrfürchtig die Tomate in die Höhe reck­en. Der Betra­chter muss sich lediglich vorstellen, dass die Hände weiß und die Tomate rot gefärbt waren.

Bern­ward Prinz ist am 23.06.2020 ver­stor­ben. Was aus unser­er Kun­stlehrerin „Van­ni“ van der Horst wurde, kon­nte ich eben­so wenig in Erfahrung brin­gen wie das Schick­sal von Viviane, die zusam­men mit mir die Tomate auf dem Paris­er Platz im Köl­ner Stadt­teil Chor­weil­er fer­tig­stellte.

Aus dem Gym­na­si­um Füh­linger Weg wurde 1995 das Hein­rich Mann Gym­na­si­um, an dem ich kurz zuvor Abitur gemacht habe.

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