Der progressiv chronisch kranke Mensch

Es gibt Situationen, über die sich kaum einer Gedanken macht. Wer hört, dass jemand chronisch krank ist, dann nimmt er das zur Kenntnis, ohne zu wissen, was für einen Rattenschwanz dies mit sich zieht. Recht oft werden diese Menschen sogar angegangen. Sie werden denunziert und beleidigt.

Was kaum einer weiß: chronisch Kranke besitzen in unserer Mehrklassengesellschaft einen inakzeptablen Status, was an diversen Versorgungen ersichtlich wird. Ja, wir leben in einem Sozialstaat, in dem kaum jemand in Gänze vernachlässigt wird, aber dennoch ist die Versorgung alles andere als ideal.

Das fängt schon bei Hilfsmitteln an. Kaum einer kann verstehen, weshalb Person A ein Hilfsmittel bewilligt wird, während Person B darum kämpfen muss. Und das bei gleicher Diagnose und ähnlichem Krankheitsbild. Sehr oft nutzen chronisch kranke Menschen Hilfsmittel oder Medizinprodukte, die die Lebensqualität erhöhen, aber von den Leistungsträgern wie z.B. den Krankenkassen nicht finanziert werden. Oder aber man muss so viel dazuzahlen, dass es günstiger ist, dieses auf dem freien Markt zu kaufen.

Chronisch kranke Menschen benötigen barrierefreien Wohnraum. Es gibt leider bis heute keinerlei Gesetz, das vorschreibt, neuen Wohnraum zwingend barrierefrei zu gestalten. Dabei profitieren nicht nur chronisch kranke oder behinderte Menschen von einem barrierefreien Wohnraum, sondern auch alte Menschen und Familien mit kleinen Kindern.

Es gibt aber noch viel mehr Bereiche des Lebens, in denen Mehrkosten entstehen, die kaum einer sieht. Hier mal eine kleine Auflistung, was gemeint ist:

  1. Hilfsmittel und Medizinprodukte,
  2. barrierefreier Wohnraum,
  3. Mobilität,
  4. Ernährung oder notwendige Nahrungsergänzungsmittel,
  5. Zuzahlung zu Rezepten und Verordnungen,
  6. Unterstützungsdienste z.B. für Haushalt und Pflege,
  7. reduzierte Arbeitsstunden,
  8. Bürokratie,
  9. Medikamente,
  10. erhöhter Energieverbrauch.
Ein solches Vorspannrad ist in unserer Gesellschaft ein Luxusgut, das von kaum einem Kostenträger finanziert wird.

In den Beiträgen meines Blogs spreche ich die Punkte immer wieder im Detail an. Das Geld, das chronisch kranke Menschen an diesen Stellen ausgeben müssen oder manchmal wollen, damit die Lebensqualität steigt, dann fehlt das Geld an anderer Stelle. Die Betroffenen werden genötigt, Geld für ihre Gesundheit auszugeben, wobei das an für sich schon eine besondere Situation ist, denn viele Menschen haben das Geld einfach nicht und müssen mit dem zurechtkommen, was das System für sie abwirft.

Sehr viele Dinge erhöhen die Lebensqualität und erleichtern den Alltag, wie z.B. ein Vorspannrad für einen Rollstuhl, mit dem der Rollifahrer plötzlich sehr viel mobiler ist. Oder die Fitness wird erhöht, weil die betroffene Person mit einem Handbike unterwegs sein kann, was Folgekomplikationen z.B. als Folge von Bewegungsmangel verhindert.

Jetzt wird der ein oder andere sagen, dass dies Luxusprobleme sind, weil man ja auch ohne auskommt. Nein, ist es aber nicht, denn solche Hilfsmittel ermöglichen überhaupt erst die Teilhabe am Leben, denn ohne Vorspannrad könnte ich z.B. nicht einkaufen gehen und dieser Part müsste von wem anderen übernommen werden.

Es gibt aber auch essentiellere Beispiele. So werden z.B. inkontinenten Menschen gern einfach nur Windeln zugestanden, während es sehr viel bessere Inkontinenzprodukte gibt, was teils zur Folge hat, dass die Menschen zu nass sind und sich wundliegen. Höherwertige Produkte gibt es aber nur gegen Zuzahlung, was sich nicht jeder leisten kann, womit in Summe das medizinische System aber höher belastet wird.

Noch gravierende sind die Aufwände für die notwendige Bearbeitung der Bürokratie. Die Betroffenen müssen Einsprüche einlegen, weil mittlerweile die Anträge kategorisch abgelehnt werden (egal für was und egal bei welchem Kostenträger), was Mehrkosten für Druckerpapier und den Druck bedeutet. Man braucht Briefumschläge und Porto, weil die Digitalisierung der Ämter nur extrem schleppend vorangeht. Man braucht überhaupt einen Rechner und Drucker. Und nicht selten kommen noch Anwaltskosten hinzu, wenn man sich gegen Ungerechtigkeiten zur Wehr setzen möchte.

Wer also das nächste Mal behinderte und chronisch kranke Menschen als Sozialschmarotzer hinstellt, darf sich gerne vor Augen führen, was für ein Schlag ins Gesicht diese Aussage bedeutet.

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