HMSN Typ X & Ich

Es heißt ja, dass MS (Multiple Sklerose) das Chamäleon unter den chronischen Erkrankungen ist, weil sie in so unterschiedlicher Form auftreten kann und oftmals nur schwer zu diagnostizieren ist. Ich persönlich denke hingegen, dass es sehr viele neuromuskuläre Erkrankungen gibt, auf die das zutrifft, es aber nicht so bekannt ist, weil sie meist sehr selten sind.

Die HMSN (hereditäre sensomotorische Neuropathie) ist eine solche Erkrankung, die in acht übergeordneten Typen auftritt. Als der HMSN Typ X noch weniger bekannt war, hatte man ihn dem Typ 1 zugeordnet. Mittlerweile sind so viele Typ-X-Varianten aufgetreten, dass sie einfach der Reihe nach durchnummeriert sind. Somit gibt es die Typen X1, X2, X3, X4, X5 und X6. Der zuerst entdeckte Typ 1X ist heute einfach der Typ X1.

Im englischen heißt die Erkrankung CMT (Charcot-Marie-Tooth, benannt nach ihren Entdeckern Jean-Martin Charcot und Pierre Marie aus Frankreich und Howard Henry Tooth aus England). HMSN Typ X wird als X-linked CMT oder einfach nur als CMTX bezeichnet.

Da ich diese Bezeichnung sehr sympathisch finde, werde ich im Folgenden von der HMSNX sprechen.

Dadurch, dass der Gendefekt auf einem X-Chromosom liegt, ist die Vererbung sehr interessant. Während weibliche Träger ihren Gendefekt an ihre Kinder beiden Geschlechts weitergeben, gibt der männliche Träger den Defekt lediglich an seine Töchter weiter. Es ist nur ein X-Chromosom betroffen, so dass es bei den weiblichen Trägern eine Chance von 50% gibt, dass sie ihre Erkrankung nicht weitergeben. Die männlichen Träger geben ihren Defekt hingegen auf jeden Fall an ihre Töchter weiter, jedoch auf keinen Fall auf ihre Söhne.

Allerdings ist wie bei allen Typen der HMSN das Auftreten von Krankheitssymptomen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Es muss also kein HMSNX-Vater in Panik ausbrechen, weil er eine Tochter gezeugt hat. Bei manchen treten die ersten Symptome schon in der frühen Kindheit auf, bei anderen erst in Fünfzigern oder Sechzigern. Bei einigen weiblichen Trägern von HMSNX können die Symptome so geringfügig sein, dass sie bis ins hohe Alter unbemerkt bleiben. Bei den meisten HMSNX-Trägern treten die ersten Symptome in den Zwanzigern auf.

Die Symptome von HMSNX sind sehr vielfältig. Sowohl der Krankheitsverlauf als auch der Schweregrad kann deutlich variieren. Bei männlichen Betroffenen von HMSNX ist ein schwererer Krankheitsverlauf zu beobachten, d.h., dass die Symptome meist verstärkt auftreten. Es wird angenommen, dass das zweite nicht betroffene X-Chromosom bei Frauen als Puffer wirkt, so dass die Symptome abgeschwächt sind. Allerdings ist dies kein Ausschlusskriterium, d.h. es gibt durchaus auch Frauen, die von einem schweren Krankheitsverlauf betroffen sind.

Wie bei vielen neuromuskulären Erkrankungen ist es nicht möglich, vorherzusagen, in welchem Ausmaß sich die Symptome entwickeln werden. Auch können im Verlauf des Lebens immer neue Symptome hinzukommen. Hier ist eine Vorhersage unmöglich, ob, wie und in welchem Ausmaß diese auftreten werden.

Die HMSNX-Symptome ähneln den Symptomen der anderen HMSN-Typen:

  • langsam fortschreitende Muskelschwäche und -schwund (insbesondere in den Füßen, Unterschenkeln und Händen)
  • Gefühlsverlust und Taubheit in den betroffenen Bereichen
  • Fußdeformitäten (Hochgewölbe, Hammerzehen, usw.)
  • Senkfuß
  • Achillessehnenkontrakturen (Verkürzung bzw. Einschnürung der Sehne)
  • Gangstörungen (aufgrund von Fußdeformitäten, Knöchelinstabilität, Senkfuß usw.)
  • Verkrampfung der Muskeln
  • Zehengang
  • Beeinträchtigung der Atmung

Bei einem schwereren Verlauf können zudem folgende Symptome auftreten:

  • Beeinträchtigung des zentralen Nervensystems (unterschiedliche Grade der kognitiven Beeinträchtigung, Optikusneuropathie (ein schmerzloser Sehverlust))
  • Sprachstörungen (Schwierigkeiten beim Bilden von Wörtern)
  • Taubheit
  • Inkontinenz

Die langsam fortschreitende Muskelschwäche habe ich während der Jugend zum ersten Mal bewusst gespürt. Ich konnte kurze Strecken rennen, aber bei jeder längeren Strecke war irgendwann Schluss. Einen 1.000-Meter-Lauf habe ich nie laufend, sondern immer gehend beendet. Wenn überhaupt. Ich galt in meiner Kindheit eben als unsportlich. Und wurde deswegen mit Spott bedacht, vor allem aus den Reihen der eigenen Familie.

Ich hatte versucht, dem mit Krafttraining entgegenzuwirken. Es wollten sich aber keine Muskeln aufbauen. Ganz im Gegenteil habe ich gemerkt, dass die Muskeln schnell anfingen zu schmerzen und die Kraftlosigkeit nach den Trainings zunahm.

Ich gehöre noch zu denen, die einen Wehrdienst leisten mussten. Während dieser Zeit wurden zum ersten Mal ungewöhnliche Werte im Blut entdeckt und es trat ein Gefühlsverlust in den Füßen auf. Das machte sich besonders negativ während der Märsche bemerkbar. Ich weiß noch, dass ich deswegen beim Kasernenarzt war, dieser die Symptome (natürlich) runtergespielt hat.

Richtig Fahrt aufgenommen hat die Krankheit erst später, als ich vermutlich über eine massive Gabe von unterschiedlichen Antibiotika angetriggert wurde. Es folgte eine Odyssee hinsichtlich der Diagnosefindung. Obwohl die gemessenen Nervenleitgeschwindigkeiten bei mir immer verlangsamt und einige Muskeln atrophiert waren, hatten die ersten Neurologen nichts finden können oder wollen, je nach Betrachtungsweise. Erst spät kam es zu einer passenden Diagnose.

Wie der Verlauf zukünftig aussehen wird, ist unklar. Kein Arzt kann sagen, was noch kommen wird. Ich kann nur sehen, dass die Progression spürbar nachgelassen hat. Immerhin. Warum auch immer, aber von einer Deformierung der Füße war ich nie betroffen. Hier sind die Ärzte eh noch im unklaren, wodurch diese überhaupt zu erklären ist. Mit einer reinen Muskelatrophie nämlich nicht.

Ein Kommentar

  1. Hallo ich heiße Janett habe Typ 4 b 2 kein Refsum, mein Gehirn, Augen, Tinnitus alles dabei. Meine Eltern alle beide den selben Defekt. Mir geht es sehr sehr schlecht! Wie soll man mit dieser Erkrankung nur leben? Geht gar nicht!!!

    Vernichtende Erkrankung

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