Warum wir keine Lebensmittel verschwenden!

wäschbar in mülltonneEs ist noch gar nicht so lan­ge her, dass die Mel­dung durch die Pres­se lief, dass wir 80 kg pro Jahr und Per­son an Lebens­mit­teln weg­wer­fen, wovon 70–80% ver­meid­bar wäre. Das hat mich auf­schre­cken las­sen. Ver­schwen­den wir wirk­lich so vie­le Lebens­mit­tel?

Da ich ger­ne Din­ge hin­ter­fra­ge, bin ich der Sache mal nach­ge­gan­gen. Wie sind die­se Zah­len denn zustan­de kom­men? Ein Blick in unse­re Rest­müll­ton­ne zeigt näm­lich, dass dort eben nicht so vie­le Lebens­mit­tel lan­den, son­dern eben recht vie­le Lebens­mit­tel­ab­fäl­le, wie zum Bei­spiel Scha­len oder Ver­schnitt von Obst und Gemü­se.

Natür­lich ver­schim­melt auch bei uns mal das ein oder ande­re. Aber wir ver­su­chen das (natür­lich) zu ver­mei­den. Denn es ist ja bares Geld, das wir da weg­wer­fen müs­sen. Wer kann schon Inter­es­se dar­an haben, Geld weg­zu­wer­fen?

Studiendschungel

Also habe ich mich auf die Suche nach den Stu­di­en gemacht, die der Aus­sa­ge zugrun­de liegt. Da fin­de ich zum Bei­spiel eine Stu­die des WWF aus dem Jah­re 2015: “Das gro­ße Weg­schmei­ßen: Vom Acker bis zum Ver­brau­cher: Aus­maß und Umwelt­ef­fek­te der Lebens­mit­tel­ver­schwen­dung in Deutsch­land”.

lebensmittelIn die­ser 68-sei­ti­gen Stu­die wird aber nicht erläu­tert, wie die Daten erho­ben wur­de. Es wur­de also nicht erklärt, wie im Ein­zel­nen her­aus­ge­fun­den wur­de, wie­vie­le Lebens­mit­tel in mei­ner Müll­ton­ne lan­den. Aber es wur­de auf eine wei­te­re Stu­die aus dem Jah­re 2012 ver­wie­sen. Die­se Stu­die gibt es auf der Web­site des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Ernäh­rung und Land­wirt­schaft (BMEL) als Down­load. Aller­dings ist die­se Stu­die 483 Sei­ten schwer.

Aber hier wer­de ich fün­dig. Auf den Sei­ten 92 und fol­gen­den lese ich, wie die Autoren zu den Men­gen­an­ga­ben gekom­men sind. Und ich muss­te fest­stel­len, dass die meis­ten Anga­ben auf Schät­zun­gen beru­hen.

Ich habe auch Stu­di­en gefun­den, nach denen jeg­li­ches orga­ni­sches Mate­ri­al im Rest­müll  als Lebens­mit­tel ange­nom­men wur­de. Das hal­te ich für viel zu unge­nau. Des­halb gehe ich ledig­lich auf die Stu­die ein, die vom BMEL in Auf­trag gege­ben wur­de.

Es wird in die­ser Stu­die beschrie­ben, wie wel­che Annah­men getrof­fen wur­den. Ich kon­zen­trie­re mich auf die wich­tigs­ten.

Annahmen Restmülltonne

Es wer­den Sor­tier­ana­ly­sen durch­ge­führt. Ohne, dass es genau­er beschrie­ben wird, dürf­te hier eine defi­nier­te Men­ge aus dem Rest­müll unter­sucht wer­den. Dabei wer­den die Küchen­ab­fäl­le von Gar­ten­ab­fäl­len und sons­ti­gen orga­ni­schen Abfäl­len getrennt.
Zusätz­lich wird zwi­schen gro­ßen und klei­ne­ren Stü­cken im Abfall unter­schie­den. Alles, was klei­ner als 40 mm ist, gehört zum klei­nen Abfall und ist noch schwie­ri­ger zu erfas­sen.

Zu den grö­ße­ren Stü­cken gehö­ren die Abfäl­le, die ich zur Lebens­mit­tel­ver­schwen­dung zäh­le (unver­brauch­te unver­pack­te und ver­pack­te Lebens­mit­tel), aber auch jene, die ich nicht dazu zäh­le (Kaf­fee­fil­ter, Obst- und Gemü­se­scha­len, Kno­chen, etc.).

Dann fol­gen vie­le Sei­ten, auf denen die Autoren eine wah­res mathe­ma­tisch-sta­tis­ti­sches Zah­len-Tohu­wa­bo­hu durch­füh­ren, bei dem alle Unwäg­bar­kei­ten, die eine Aus­sa­ge unmög­lich machen, in ein sta­tis­ti­sches Zah­len­kor­sett gepackt wer­den, so dass am Ende doch irgend­ei­ne Zahl her­aus­kommt.

Am Ende ste­hen dort Zah­len von 31,6 kg Küchen­ab­fäl­le pro Ein­woh­ner und Jahr bis 56,9 kg pro Ein­woh­ner und Jahr, wenn man noch eine gewis­se Streu­ung der zugrun­de lie­gen­den Zah­len berück­sich­tigt.

Aber wie gesagt, die­se Zah­len sind nicht nur mit gro­ßen Unsi­cher­hei­ten behaf­tet, son­dern beinhal­ten auch orga­ni­sche Abfäl­le in der Rest­müll­ton­ne, die ich nicht als Ver­schwen­dung anse­he.

Annahme Biotonne

Es weiß nie­mand, was alles von wem in der Bio­ton­ne lan­det. Des­halb lese ich fol­gen­den Pas­sus:

“[Es] wird ver­ein­fa­chend ange­nom­men, dass […] die gesam­te Abfall­men­ge in der Bio­ton­ne aus pri­va­ten Haus­hal­ten stammt.”

Dann wur­de auch hier ein mathe­ma­tisch-sta­tis­ti­sches Zah­len-Tohu­wa­bo­hu durch­ge­führt, das für sich allein schon der­art vie­le Unsi­cher­hei­ten beinhal­tet, dass man sich das Erge­nis eigent­lich schen­ken könn­te. Den­noch kom­men die Autoren auf Men­gen an Küchen­ab­fäl­len von 11,3 kg pro Ein­woh­ner und Jahr und 25,4 kg pro Ein­woh­ner und Jahr.

Der Rest

Es gibt natür­lich noch wei­te­re Ent­sor­gungs­we­ge für uns Ver­brau­cher. Wir kön­nen unse­re Lebens­mit­tel­ab­fäl­le auf den Kom­post wer­fen, ins Klo kip­pen oder an die Haus­tie­re ver­füt­tern. Wobei ich eine Ver­füt­te­rung an Haus­tie­re schon nicht mehr als Ver­schwen­dung bezeich­nen wür­de.

Fol­ge ich den Autoren, die wie­der ihr mathe­ma­tisch-sta­tis­ti­sches Zah­len-Tohu­wa­bo­hu durch­füh­ren, so lan­den 4–19 kg pro Ein­woh­ner und Jahr im Klo, 18 kg pro Ein­woh­ner und Jahr auf dem Kom­post und 3 kg pro Ein­woh­ner und Jahr wer­den ver­füt­tert.

Ergebnis

Ich bin erleich­tert, denn wir schmei­ßen sicher­lich nicht 80 kg Lebens­mit­tel pro Jahr und Kopf weg (in einer fünf­köp­fi­gen Fami­lie wären das immer­hin 400 kg im Jahr!). Die Daten­er­he­bung, auf der die Aus­sa­gen basie­ren, sind der­art schwam­mig, dass sie kei­ne Aus­sa­ge­kraft mehr haben. Den­noch wer­den dem End­ver­brau­cher lt. der WWF-Stu­die 39% der gesam­ten Lebens­mit­tel­ver­schwen­dung zuge­schrie­ben.

Anders sieht es natür­lich bei den Bau­ern und Super­märk­ten aus. Dort las­sen sich die Daten deut­lich seriö­ser erfas­sen. Obgleich das nicht für alle Schrit­te in dem kom­ple­xen Sys­tem der Lebens­mit­tel­her­stel­lung betrifft.

Eini­ge Fak­to­ren blei­ben zudem voll­kom­men unbe­rück­sich­tigt. Es wird zum Bei­spiel von Fäl­len berich­tet, nach denen Obst und Gemü­se auf dem Feld ver­blei­ben, weil sie unse­ren recht frag­wür­di­gen Nor­men und Vor­stel­lun­gen nicht genü­gen. Die­se Waren tau­chen in kei­ner­lei Sta­tis­tik auf.

Umdenken

Ja, ich den­ke durch­aus, dass wir Lebens­mit­tel nicht in dem Maße ver­wen­den, wie sie pro­du­ziert wer­den. Viel­leicht braucht es dazu gar kei­ne Sta­tis­ti­ken, son­dern nur ein Umden­ken in den Köp­fen der Ver­ant­wort­li­chen. War­um ver­kau­fen zum Bei­spiel die Bau­ern ihr krum­mes und farb­lo­ses Obst und Gemü­se nicht im hof­ei­ge­nen Laden?

Auch die Bäcker den­ken um. Wäh­rend der Bäcker im Rewe auch bis kurz vor knapp noch gefüll­te Rega­le auf­weist, gibt es im Bäcker neben­an nur noch eine begrenz­te Aus­wahl an Bro­ten und Bröt­chen zu kau­fen. Und das fin­de ich auch gut so. Wenn ich erst kurz vor Laden­schluss ein­kau­fe, dann muss ich mich mit dem zufrie­den geben, was übrig ist.

Dies ist ein ReB­log: Die­ser Bei­trag wur­de im Jah­re 2016 auf unse­rem Fami­li­en­blog gepos­tet, beinhal­tet aber noch immer die glei­che Wahr­heit. Neue­re Unter­su­chun­gen wur­den mei­nes Wis­sens bis dato nicht ver­öf­fent­licht.

 

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