Der Scewo Bro im alltäglichen Einsatz – Teil 1: Akkuleistung

Der Scewo erweckt bei vielen Gehbehinderten Begehrlichkeiten. Warum? Weil es einer der wenigen elektrischen Rollstühle ist, der Treppen steigen kann. Dennoch ist dieser Rollstuhl nicht für jeden geeignet, denn die eierlegende Wollmilchsau gibt auch bei den Elektrorollstühlen nicht.

Ich möchte mit diesem Beitrag weder Neid erwecken, noch irgendeiner Hinsicht prahlen. Ich möchte vielmehr aufzeigen, wo die Stärken dieses Rollstuhls sind und wo er an seine Grenzen kommt. Und natürlich, in welchen Bereichen er etwas besonders ist.

Auffällig

Als Rollstuhlfahrer ist man eh schon ein bunter Hund in seinem Viertel. Von wem ich mittlerweile alles begrüßt werde und ich noch nicht mal eine Ahnung habe, wo ich die Person verorten könnte. Wer mit einem solchen Rollstuhl wie den Scewo Bro unterwegs ist, setzt dem noch einen drauf. Dennoch ist das Fahrgefühl im Freien extrem leicht und mühelos. Der Scewo rollt über etliche Hindernisse hinweg und es macht tatsächlich sehr viel Spaß mit diesem Rollstuhl eine neue Reichweite erfahren zu können. Die Reichweite des Rollstuhls wird mit zirka 30 km angegeben und diese Angabe kann ich durchaus bestätigen. Vor allem in der Großstadt kann die Fahrt mit dem Scewo den ÖPNV überflüssig machen. 

Der Scewo fährt sich grundsätzlich sehr anders als ein Elektrorollstuhl mit mehreren Achsen. Das liegt hauptsächlich an der Suche nach dem Schwerpunkt und dem Balancieren. Auch das Anfahren und Bremsen gestaltet sich als besonders, weil sich der Rollstuhl beim Anfahren nach vorn beugt und beim Abbremsen nach hinten. Man wackelt deutlich mehr vor und zurück. Wer über eine schlechte Oberkörperstabilität verfügt, muss auf jeden Fall einen Gurt tragen, ist dann aber auch weniger flexibel beim Fahren des Rollstuhls. Man kann nämlich die ein oder andere Unzulänglichkeit mit der Balance ausgleichen.

Der Akku

Das Aufladen des Akkus geschieht auffallend schnell. Wenn ich den Akku auf 30% heruntergefahren habe, so ist er nach drei bis vier Stunden wieder bei 100% angelangt, wobei de facto die 100% nie erreicht werden, weil der Akku immer ein wenig Platz haben muss für eine eventuelle Rekuperationsenergie, die er während Bergab- bzw. Treppabfahrten sammelt. Die App des Bro zeigt somit auch nur 95% an, wenn der Ladevorgang beendet ist.

Bei der Übergabe hatte ich mich nach dem Akku-Typ erkundigt und mir wurde gesagt, dass es sich um Gel-Batterien handelt. Mich hat allerdings die kurze Ladezeit stutzig gemacht und auf dem Ladegerät steht, dass es ein Li-Ionen Ladegerät ist.
Nun mittlerweile weiß ich, dass in dem Bro zwei Akkus verbaut sind. Zum einen der Li-On-Akku (als Hauptenergielieferant) und als Backup ein geschlossener Blei-Akku (damit im Notfall noch Aktionen möglich sind, wie z.B. das Lösen der Bremse).

Die Reichweite ist schwer einschätzbar und hängt von vielen Faktoren ab. Wie schwer ist der Fahrer? Welche Steigungen muss der Bro überwinden? Scewo gibt eine Reichweite von 35 km an. Mir fiel es schwer, den Bro wirklich mal leerzufahren, weil ich mit ihm nicht stehenbleiben wollte. Ich hatte mal eine knapp 20 km Tour gefahren, wobei der Akku gut 60% verloren hatte. Allerdings bin ich nur übers platte Land gefahren mit kaum Steigungen und ohne Treppen.

Vorsicht bei Kälte! Der Akku verliert bei Temperaturen unter 0°C spürbar an Leistung.

Wer mit dem Bro fliegen möchte, sollte unbedingt den Hersteller Scewo kontaktieren. Auf der Webseite finden sich alle notwendigen Dokumente. Ich weiß allerdings nicht, ob ich mir das trauen würde, mit dem Bro zu fliegen.

Ich glaube, jeder kommt mal in die Situation, dass es mit dem Akku seines Elektrorollstuhls eng wird. In meinem Fall musste ich wegen eines Rheinhochwassers einen Umweg fahren. Glücklicherweise bei Temperaturen über Null. Dennoch fiel der Akkustand langsam aber stetig. Zuerst kam die Meldung, dass der Akkustand niedrig (bei 20%) und anschließend sehr niedrig  (bei unter 10%) sei. Schön und gut, dass diese Meldung kommt, aber so schlau war ich auch. Quasi auf dem letzten Meter habe ich es dennoch bis nach Hause geschafft.

Wetter

Wer hätte das gedacht? Die meisten elektrischen Rollstühle sind Schönwetter-Rollstühle. Was heißt das? Dafür konsultiere ich die Bedienungsanleitung des Bro. Auf Seite 107 findet sich dieser Warnhinweis:

»Schütze den Rollstuhl vor Feuchtigkeit, einschließlich Regen, Schnee, Schlamm oder Spritzwasser. Die Feuchtigkeit kann zum Kurzschluss führen, der Rollstuhl somit Feuer fangen mit Verletzungen oder Sachschäden als Folge. War der Rollstuhl Feuchtigkeit ausgesetzt, verwende ihn nicht, bis er vollständig trocken ist.«

Aber auch in der Sonne ist es nicht unproblematisch, denn weiter heißt es:

»Oberflächen können durch externe Wärmequellen (z.B. Sonnenlicht) unter Umständen sehr heiß werden. Prüfe die Temperatur, bevor Du die Oberflächen berührst, und lasse wenn nötig den BRO an einem schattigen Ort abkühlen.«

Klar, die Hersteller der Rollstühle möchten sich absichern, dass sie nicht in Regress genommen werden, falls irgendeine »Wettererscheinung« dem Rollstuhl schadet. Nur, wie stellen sich die Entwickler dies vor? Wie soll ich denn von einem Waldspaziergang nach Hause kommen, wenn es spontan anfängt zu regnen? Und wie soll ich die Temperatur des Bodens kontrollieren, wenn ich im Sommer unterwegs bin? Vielleicht müsste dem Bro ein Infrarot-Messgerät beiliegen? Denn mir der Hand kann ich bekanntlich keine Temperaturen zuverlässig bestimmen (man denke an das Experiment mit den drei Wasserschüsseln).

Nehme ich es genau, so darf ich den Bro nicht benutzen, wenn es regnet oder schneit und ich darf ihn nicht nutzen, wenn im Hochsommer die Sonne auf uns niederbrennt. Das schränkt die Nutzung des Bro massiv ein.

Sehr unverständlich finde ich in diesem Zusammenhang, dass Hersteller in ihren Werbevideos oftmals etwas anderes zeigen, als sie in der Bedienungsanleitung empfehlen. Im Falle des Scewo Bro gab es auf Facebook ein Video, in dem gezeigt wurde, dass der Bro auch hervorragend durch Regen und Schnee fuhr. Untertitelt war das Video mit: »Bei Wind und strömendem Regen: BRO hält«.

Eigentlich wollte ich wissen, wie es zusammenpasst, dass ein solches Video gezeigt wird und in der Bedienungsanleitung etwas anderes steht. Daraufhin wurde von Scewo das Video entfernt.

Aber was ist denn nun, wenn ich mit dem Bro unterwegs bin und es fängt an zu regnen?

Natürlich hatte ich diese Situation auch schon gehabt und dem Bro hat es bisher nicht geschadet, durch Regen zu fahren. Was ich hingegen noch nie gemacht habe, ist die Treppensteigfunktion bei Regen auszutesten. Eine nasse Raupe auf trockenen Steintreppen mag vielleicht noch funktionieren (z.B. in einem Bahnhof), aber eine nasse Raupe auf einer nassen Treppe war mir zu riskant.

Scewo selbst bleibt aber bei seiner Aussage, dass der Bro und vor allem die Steuereinheit nicht gegen Spritzwasser geschützt ist.

Glücklicherweise gibt es im Rheinland nicht oft Schnee, denn das Fahren im Schnee mit einem Rollstuhl macht wenig Spaß. Hier spielt der Bro aber ebenfalls seine Stärken aus. Er kommt recht gut durch Schnee und Eis, selbst, wenn die Bürgersteige nur mäßig von Schnee und Eis befreit wurden. Gerutscht bin ich mit Bro nie, wobei ich keine Gefälle gefahren bin. Dennoch war ich positiv überrascht, wie unproblematisch die Fahrten im Schnee verliefen.

Ich stelle den Scewo Bro in mehreren Beiträgen hier auf meinem Blog vor. Damit die Übersicht nicht leidet, gibt es einen Beitrag, in dem ich alle Berichte bündele. Diese Erfahrungsberichte sind nicht gesponsert und spiegeln meine persönliche Meinung wider. Aufgrund der Vielfältigkeit von Erkrankungen bzw. Behinderungen kann ich keine Hilfsmittelberatung anbieten. Die Beiträge dienen lediglich zur Orientierung für Interessenten.

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