Ein Besteckkasten für Behinderte?

Wie kann man seinem Gegenüber nur ver­ständlich machen, dass die Energiere­ser­ven ver­braucht sind und was dies bedeutet, dass sie es sind? Die Löf­felthe­o­rie habe ich auf diesem Blog schon vorgestellt. Sie beschreibt anschaulich, dass chro­nisch kranke Men­schen nur einen begren­zten Vor­rat an Energie zur Ver­fü­gung haben, der deut­lich geringer ist als bei einem nicht chro­nisch Kranken und dass dieser auch viel schwieriger aufzufüllen ist.

Die Bewäl­ti­gung des All­t­ags ist oft­mals stres­siger, vor allem, wenn Bar­ri­eren dem Betrof­fe­nen das Leben erschw­eren. Manch­mal sind es defek­te Aufzüge oder schlampig instal­lierte Baustelle, ein anderes Mal sind es unaufmerk­same Pas­san­ten oder auch ein­fach eine zu kom­plizierte Sprache. Zu allem Über­druss haben behin­derte Men­schen mit einem deut­lich erhöht­en Ver­wal­tungsaufwand zu kämpfen, weil für jede Kleinigkeit dutzende For­mu­la­re auszufüllen sind. In Summe kämpfen viele Behin­derte mit Ableis­mus. All diese Dinge zehren zusät­zlich an den Energiere­ser­ven der Betrof­fe­nen.

Hier kommt eine weit­ere The­o­rie ins Spiel: Die Gabel-The­o­rie. (Genau genom­men sind es keine The­o­rien, son­dern Meta­phern, aber diese Begriffe stam­men aus dem Englis­chen und heißen dort Spoon-The­o­ry und Fork-The­o­ry.) Hier ver­brauchen die Schwierigkeit­en des All­t­ags nicht nur die Energiere­ser­ven der Betrof­fe­nen, son­dern pik­sen und stechen einen zusät­zlich. Und je nach Erkrankung darf man das dur­chaus wörtlich nehmen, denn eine Über­las­tung oder eine Anstren­gung führt bei eini­gen Betrof­fe­nen zu einem realen physis­chen Schmerz

Im Grunde genom­men kämpfen alle Men­schen mit ein­er neu­ro­muskulären Erkrankung mit der einen oder anderen Art von Schmerz. Dabei hal­ten die Men­schen nur eine gewisse Anzahl von Gabel­stichen aus, bis es zu ein­er total­en Erschöp­fung kommt. Dann kann man den chro­nisch Kranken an diesem Tag kaum noch zu etwas gebrauchen, eher er seine Reser­ven über Nacht auf­füllen kann. Wobei eine der­ar­tige Erschöp­fung erst nach ein­er län­geren Regen­er­a­tionsphase wieder aufge­füllt wer­den kön­nen, die oft­mals länger als eine Nacht andauert. Das führt zu einem weit­eren Phänomen: Der “Dis­abil­i­ty Burnout”.

Der “Dis­abil­i­ty Burnout” ist ein Zus­tand von kör­per­lich­er bzw. emo­tionaler Erschöp­fung, der durch eine Behin­derung verur­sacht oder ver­schlim­mert wird. Es kön­nen auch Mis­chfor­men auftreten, wobei ein Über­las­tungs­burnout durch den Burnout, verur­sacht durch die Behin­derung, ver­stärkt wird. Und anders herum. Zu den Symp­tomen gehören:

  • totale Erschöp­fung
  • Konzen­tra­tions-Schwierigkeit­en 
  • Unfähig Pri­or­itäten zu set­zen
  • Ver­schlim­merung des eige­nen Gesund­heit­szu­s­tands
  • Entste­hung neuer Gesund­heit­szustände, wie z. B. klin­is­che Depres­sio­nen, die mit ein­er kör­per­lichen Behin­derung ein­herge­hen

Die Entste­hung des “Dis­abil­i­ty Burnout” ist ein schle­ichen­der Prozess, der sich über einen lan­gen Zeitraum von mehreren Monat­en oder Jahren entwick­eln kann. Betrof­fene merken kaum, dass sich ihre Leis­tungs­fähigkeit ver­ringert und dass ihre physis­che und psy­chis­che Gesund­heit nach und nach immer stärk­er beein­trächtigt wird. Deshalb ist es wichtig, die Anze­ichen eines Dis­abil­i­ty Burnout frühzeit­ig zu erken­nen.

Wer­den die Symp­tome nicht erkan­nt, so kann der Dis­abil­i­ty Burnout zu einem ein­schnei­den­den Ereig­nis wer­den, die mit ein­er weit­eren The­o­rie beschrieben wird: Der Mess­er The­o­rie.

messer_theorie_fle.de

Der Belas­tungs­besteck­kas­ten wird mit der Mess­er-Meta­pher (Knife-Hypoth­e­sis) ver­voll­ständigt. Damit wer­den ein­schnei­dende Ereignisse beschrieben, die tiefe Wun­den hin­ter­lassen. Oder aber die Nutzung ein­er sehr großen Energiere­serve (bei ein­er Über­las­tung), die eben­falls bleibende Fol­gen hin­ter­lassen kann. Meis­tens psy­chis­ch­er und nicht physis­ch­er Natur. 

Diese Meta­phern ver­an­schaulichen die physis­chen und psy­chis­chen Belas­tung in Folge ein­er Behin­derung bzw. chro­nis­chen Erkrankung. Es ste­hen immer weniger Löf­fel zur Bewäl­ti­gung des All­t­ags zur Ver­fü­gung, das erträgliche Maß an aushalt­baren Gabel­stichen sinkt spür­bar oder aber ich werde dazu genötigt, weit über meine ver­füg­baren Energiere­ser­ven hin­auszuge­hen, wodurch es zu ein­schnei­den­den Ereignis­sen kommt.

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