Kinderunfreundliches Deutschland

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Dieser Beitrag ist schon was älter (aus dem Jahre 2016) und wurde schon mehrfach überarbeitet. Aktuell ist es die Corona-Krise, die mal wieder auf dem Rücken der Familien ausgetragen wird. Zuerst aber die Aspekte, die in dem ursprünglichen Artikel standen und an denen sich bis ins heutige 2022 nichts geändert hat.

Ist „kinderunfreundliches Deutschland“ provokant? „Ja“, sagen Kinderlose. In Deutschland wird doch so viel für Familien getan. Ist das wirklich so? Wir haben ein paar Beispiele:

Beitragsgerechtigkeit

Jeder in Deutschland zahlt die gleichen Abgaben? Nein, leider nicht. Familien werden leider doppelt belastet. Warum? Das wird auf der Webseite Eltern Klagen! gezeigt. Grundsätzlich kann man sagen, dass beitragsäquivalente Leistungen unberücksichtigt bleiben. Auf der Webseite wird erläutert, was das bedeutet.

Teure oder nicht buchbare Urlaube

Klar, mit Schulkindern ist man an die Sommerferien gebunden. Das ist nicht umsonst die Hauptreisezeit, in der Urlaube per se teurer werden. Das ist eigentlich schon Benachteiligung genug. Aber haben sie schon mal in einem Reisebüro versucht, drei Kinder oder mehr in die Suchmaske einzugeben?

Vermutlich nicht, denn dann wüssten Sie, dass in gut 80% der Fälle maximal zwei Kinder eingetragen werden können und selbst dann bekommt man nicht selten Fehlermeldungen, dass zu viele Kinder angegeben wurden. Die Suche mit zwei Erwachsenen und einem Kind funktioniert für gewöhnlich.

Es ist logisch und verständlich, dass nicht jedes Hotel ein Familienzimmer hat, aber wir möchten wenigstens in den Suchmasken einschlägiger Reisebüros mehr als zwei Kinder angeben können und dann auch noch Ergebnisse und nicht nur Fehlermeldungen erhalten.

Ja, es gibt Anbieter, die sich auf Familienurlaube spezialisiert haben, bieten die Reisen aber meist auch nur zu „Spezialpreisen“ an.

Noch problematischer wird es, wenn einer der Beteiligten behindert ist und eine barrierefreie oder zumindest barrierearme Unterkunft benötigt wird. Man glaubt nämlich gar nicht, wie wenig barrierefreie Unterkünfte es gibt. Dies wird leider bei so gut wie keinem Anbieter als Filtermöglichkeit berücksichtigt.

Lebensmittel

Viele Allergiker wissen wovon wir sprechen: die Lebensmittelindustrie versucht gezielt die Randgruppen ausfindig zu machen, um die Preise für diese Produkte extra teuer zu machen.  (Kinder als Randgruppe? In Deutschland habe ich sehr oft das Gefühl). Klar, diejenigen, die auf spezielle Lebensmittel angewiesen sind, müssen in den sauren Apfel beißen und mehr Geld für Lebensmittel ausgeben (wie z.B. an Zöliakie Erkrankte, die auf glutenfreie Nahrung angewiesen sind). 

Warum müssen Artikel, die sich speziell an Kinder richten, so teuer sein? Wir reden oftmals vom gleichen Produkt in einer anderen Verpackung. Nur weil die Verpackung bunter geworden ist, zahlt man nicht selten das Doppelte. Ja, sie lesen richtig. Es wird meist der doppelte Preis verlangt. Die eine Hälfte sieht man direkt am Preis, wenn die Kinderwurst nicht mehr 1,50 kostet sondern 1,99 Euro. Die andere Hälfte holen sich die Hersteller, in dem sie den Inhalt halbieren.

Nicht selten ist zu beobachten, dass bei Lebensmitteln, die nur für Kinder hergestellt werden, wertvolle Inhaltsstoffe, gegen billigen Zucker getauscht werden, was einen weiteren Preisvorteil für die Hersteller bedeutet. Also werden Lebensmittel für Kinder nicht nur für mehr Geld angeboten, sie sind zudem auch noch ungesünder. Und leider ist die Lebensmittel-Lobby in Deutschland sehr aktiv, weshalb Verbraucher gezielt in die Irre geführt werden dürfen. Bei Kinder-Produkten bedeutet dies, dass sie z.B. als gesund oder fördernd beworben werden dürfen.

Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz

Das ist natürlich ein schwieriges Thema, wenn der Vater oder die Mutter in direkter Konkurrenz zum Single steht. Warum? Weil Singles nicht früher nach Hause müssen, um die Kinder zu versorgen, ohne Einschränkung mobil sind, Überstunden nach Bedarf machen können und sich auch anderweitig nicht um andere kümmern müssen.

Ja, in den 40 Stunden in der Woche sind Eltern ebenso produktiv wie Singles. Aber meist machen diejenigen Karriere, die deutlich mehr arbeiten und deutlich mehr Zeit in eine Firma investieren. Nicht selten sieht man in den Führungsetagen geschiedene Väter sitzen, wenn sie als ihre Nummer 1 eben nicht die Familie gewählt haben.

Im Umkehrschluss heißt dies natürlich, dass die gut bezahlten Jobs oftmals den Eltern vorenthalten werden.

Und wenn man nun bedenkt, dass in Deutschland die klassische Rollenverteilung noch immer vorherrscht, so wird klar, dass insbesondere Mütter in Deutschland benachteiligt werden, die irgendwie Kinderbetreuung, (Teilzeit-)Arbeit und Haushalt unter einen Hut bringen müssen.

Kein Wohnraum

Wenn in Deutschland Wohnungen gebaut werden, so werden diese viel zu oft für Ein-Personen-Haushalte gebaut. Manchmal ist auch eine große Penthouse-Wohnung dabei. Die für Familien nicht erschwinglich und den erfolgreichen Single oder das erfolgreiche Paar ansprechen. Wer in einer Stadt versucht hat, eine 4- oder 5-Zimmerwohnung zu finden, wird merken, dass die meisten sich an wirklich Reiche richten. Eine Kaltmiete jenseits der 2000 Euro sind keine Seltenheit.

Eine Förderung, dass auch größere Wohnung zu erschwinglichen Preisen Familien zur Verfügung gestellt werden, sucht man vergebens. Das Sahnehäubchen gibt es, wenn diese größere Wohnung auch noch barrierefrei sein muss. Warum in Deutschland neue Wohnungen nicht unter der Prämisse der Barrierefreiheit gebaut werden müssen, erschließt sich uns nicht, da nicht nur Behinderte davon profitieren, sondern auch alte Menschen und natürlich auch Familien.

Familien verdienen weniger und müssen mehr ausgeben. „Selbst Schuld“, sagt der Single oder das Paar. Kinderlose werden nie verstehen können, was sie wirklich verpassen, weil sie überhaupt keine Vorstellung von dem haben, was eine Familie ausmacht.

Wir sehen hier eindeutig den Staat in der Pflicht, die Förderung für Kinder auszubauen und es nicht noch zu fördern, dass Familien deutlich über alle Maßen belastet werden als Singles.

Und jetzt auch noch Corona

Während wir von den Singles und Paaren aus unserem Umfeld hören, wie erstaunt sie sind, wie wenig Einfluss die Corona-Krise auf ihr Leben hat, schauten die meisten Familien zu Beginn der Krise auf sehr stressige Wochen zurück. Sehr oft mussten Familien sich davor fürchten, wie es weitergehen wird. 

Natürlich traf und trifft die Corona-Pandemie nicht nur Familien und viele Menschen wurden und werden in ihrer Existenz bedroht. Dennoch trifft es Familien stärker, die ein KiTa-Kind daheim zu versorgen haben und vielleicht sogar zusätzlich zu einem Schulkind. Dann muss daheim für Home-Schooling, Home-Office, Home-Kindergardening gesorgt und gleichzeitig mehr gekocht und eingekauft werden. Während sich Kinderlose über etwas mehr Freizeit freuen, klagten viele Familien über eine mangelnde Betreuung und Konzepte seitens der Schulen und Kitas.

Und tatsächlich fiel uns die mangelhafte Digitalisierung vor die Füße und wir merkten hautnah, wie wenig die Lehrer die Kinder in ihrem heimischen Schulbetrieb unterstützen.  Natürlich gab es auch positive Ausreißer, die aber spürbar in der Minderheit waren. Von der Kita kam hingegen überhaupt kein Signal oder Zeichen, dass sich irgendjemand um das Wohlergehen des Kindes kümmerte. Das hatte sich später etwas gebessert, aber Defizite waren auch in den späteren Schulschließungen deutlich spürbar.

Glücklich ist, wer einen Arbeitsplatz hat, der zeitlich flexibel und im HomeOffice zu erledigen ist. In die Röhre schauen alle anderen. Die kommende Omikron-Varianten-Welle lässt wieder viele Familien sehr besorgt in die Zukunft schauen, denn es ist klar, dass es wieder die Familien sind, die unter dieser besonders gefordert werden.

Es bleibt abzuwarten, ob die Ampel-Politik familienfreundlicher sein wird. Die Rot-Grüne-Regierungsphase hat bekanntlich wenig bewirkt. Ganz im Gegenteil. Zu befürchten ist allerdings, dass die entsprechenden Lobbyverbände weiterhin ihre Finger im Spiel haben und die Politik nicht immer in die „richtige Richtung“ lenken werden.

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