Die Diagnose

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Jed­er Betrof­fene kann ein Lied davon sin­gen. Einen Arzt zu find­en, der die geschilderten Symp­tome ernst nimmt, ist eben­so müh­sam wie der Weg hin zu ein­er (poten­tiellen) Diag­nose. Wenn Betrof­fene zurück­blick­en, dann wird manch­mal vieles klar­er und sie wün­schen sich, dass schon eher jemand auf die Idee gekom­men wäre, einen Blick abseits der Schubladen zu wer­fen.

Ger­ade neu­rol­o­gis­che Erkrankun­gen sind sehr vielfältig, so dass es dur­chaus okay ist, wenn zuerst die üblichen Verdächti­gen abgeklap­pert wer­den. Es ist nur schade, wenn es dabei belassen wird. In meinem Fall wurde z.B. zuerst ein Ver­dacht auf MS und Bor­re­liose gestellt und durch diverse Unter­suchun­gen aus­geschlossen. Der Neu­rologe hat zwar gese­hen, dass manche Muskeln atro­phiert waren und manche Ner­ven sich kaum noch melde­ten, aber als beson­ders auf­fäl­lig fand er das nicht. Damit wollte Neu­rologe Nr. 1 es bei belassen und mich nach einem hal­ben Jahr nochmals unter­suchen.

Wegen eines chirur­gis­chen Prob­lems (verzögerte Wund­heilung) war ich der­weil in ein­er anderen Prax­is. Der behan­del­nde Chirurg hat direkt einen Ver­dacht auf eine spezielle Polyneu­ropathie gestellt. Damit bin ich zu Neu­rologe Nr. 2. Diese hat ähn­liche Unter­suchun­gen durchge­führt und war wieder ver­wun­dert, dass bes­timmte Ner­ven im Bein keine Rück­mel­dung gaben und auch er hat atro­phierte Muskeln ent­deckt. Aber auch Neu­rologe Nr. 2 fand das nicht besorgnis­er­re­gend.

Wegen eines zusät­zlichen Blasen­prob­lems bin ich zum Urolo­gen. Dieser hat mir nach diversen Ter­mi­nen und Unter­suchun­gen eine neu­ro­gene Blase attestiert, die möglicher­weise mit der neu­rol­o­gis­chen Erkrankung zu tun haben kön­nte. Mit sein­er Über­weisung bin ich dann zu Neu­rolo­gin Nr. 3, die meine Beschw­er­den endlich ernst nahm. Sie hat­te einen Aus­fall von diversen Reflex­en fest­gestellt und eben­falls die verzögerten Ner­ven­leit­geschwindigkeit­en.

Hier wurde dann zum ersten Mal ein Ver­dacht auf eine hered­itäre sen­so­mo­torische Neu­ropathie gestellt. Gängiger ist die abgekürzte Form HMSN oder im englis­chen Sprachraum eher gebräuch­lich­er CMT (Char­cot-Marie-Tooth).

Dieser Ver­dacht sollte nun bestätigt wer­den. Zuerst in einem Labor für Human­genetik, in dem zuerst Pan­el 1 und später Pan­el 2 getestet wurde. Das bedeutet, dass eine Anzahl von Genen unter­sucht wird, von denen bekan­nt ist, dass sie diese Krankheit aus­lösen. Bei­de Unter­suchun­gen bracht­en lei­der kein Licht ins Dun­kle. Was aber nicht auss­chließt, dass sie es nicht doch ist. Auf­grund dessen, dass es sich um eine sel­tene Erkrankung han­delt, gibt es auch nicht viele Ärzte und Forsch­er, die sie unter­suchen.

Lediglich 70% der an CMT erkrank­ten kön­nen mit dem ersten Gen­test iden­ti­fiziert wer­den. Von den restlichen 30% wer­den die Human­genetik­er lediglich bei 20%-40% fündig. Die Suche wird nun deut­lich schwieriger, denn je später sich CMT bei den Betrof­fe­nen man­i­festiert, desto schlechter ist die Tre­f­fer­quote. Gle­ichzeit­ig ist die Anzahl der Gen­mu­ta­tio­nen auch bei einem gesun­den Men­schen der­art groß, dass der Aufwand extrem hoch ist, bei dem Erkrank­ten genau den Gen­de­fekt zu find­en, der für die Erkrankung zuständig ist.

Schlussendlich heißt dies, dass es weit­er­hin einige Betrof­fene gibt, die mit der Ver­dachts­di­ag­nose leben müssen. Sehr hil­fre­ich ist das meine Neu­rolo­gin, die nicht nur die Ver­dachts­di­ag­nose attestiert, son­dern auch die Fol­gen der Polyneu­ropathie als Tetra­parese. Diese Diag­nose war und ist sehr hil­fre­ich bei den Amts­gän­gen gewe­sen.

Neuere Erken­nt­nis im Zusam­men­hang mit CMT:

  • Auch autonome Ner­ven kön­nen betrof­fen sein, was trophis­che Störun­gen erk­lären kann.
  • Gle­ichgewichtsstörun­gen sind üblich
  • Auch eine Blasen­schwäche kann mit CMT ein­her gehen (diese wurde bish­er immer aus­geschlossen)
  • CMT ist oft­mals nur Teil ein­er anderen Erkrankung, was die Diag­nose zusät­zlich erschw­eren kann
  • Ein hoher CK-Wert ist bei Betrof­fe­nen nicht unüblich und ist eher als Folge und nicht als Ursache anzuse­hen.
  • Viele Begleit­er­schei­n­un­gen der CMT sind noch ungek­lärt, wie z.B. der bei vie­len Betrof­fe­nen auftre­tende Hohlfuß.

Eine weit­ere human­genetis­che Unter­suchung kann sein, dass sich alle näheren Ver­wandten (die eben­falls betrof­fen sind) zu ein­er Pooltes­tung zusam­men­find­en. Dabei wer­den die Gene aller miteinan­der ver­glichen, ob nicht ein Gen­de­fekt bei allen zu sehen ist. Das schränkt die möglichen Verdächti­gen aus.

Den­noch bleibt die schlussendliche Diag­nose schwierig, vor allem, weil nicht alle anderen Krankheit­en aus­geschlossen wer­den kön­nen. Lei­der nimmt selb­st in speziellen Muskelzen­tren das Inter­esse der Ärzte spür­bar ab, sich weit­er auf den Weg der Diag­nose zu begeben. Als Patient ist man dann insofern aus­geliefert, weil es irgend­wann keine Anlauf­stellen mehr gibt, die man auf­suchen kann, die einem weit­er­helfen. Umso wichtiger, dass wenig­stens Hausarzt, Neu­rologe und ggf. Orthopäde zum Patien­ten ste­hen.

Es heißt, wer mit ein­er chro­nis­chen sel­te­nen neu­ro­muskulären Erkrankung lebt, muss für diese selb­st zum Experten wer­den. Es gibt aber auch viele Über­schnei­dun­gen, weshalb ich alle Beiträge, die im Zusam­men­hang mit mein­er Erkrankung ent­standen, auf ein­er eige­nen Seite zusam­mengestellt habe. Dort schreibe ich nicht nur den Weg zur Diag­nose und wie sich die CMT äußert, son­dern auch darüber, wie ein Schwer­be­hin­der­tenantrag beantragt wird, welche Stolper­steine der All­t­ag und die Beruf­swelt für behin­derte Men­schen bere­i­thält und ich gehe das ganz große The­ma Hil­f­s­mit­tel an. Wie finde ich das passende Hil­f­s­mit­tel und wie beantrage ich es.

Zu mein­er Über­sicht.

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