Typisch Portugal? Ein Blick auf die Barrierefreiheit

Ich schere zwar nur ungern Per­so­n­en­grup­pen über einen Kamm, aber bes­timmte Dinge sind mir an allen Orten in der Algarve in Por­tu­gal hin­sichtlich der Bar­ri­ere­frei­heit aufge­fall­en. Ich beziehe die Bar­ri­ere­frei­heit auf die Mobil­ität eines Roll­stuhlfahrers. Es gibt natür­lich auch andere Ein­schränkun­gen, die Urlauber vor andere Her­aus­forderun­gen stellt.

Im Netz habe ich von anderen Roll­stuhlfahrern ähn­lich­es gehört. So soll Liss­abon zwar eine schöne Stadt sein, für einen Roll­stuhlfahrer aber alles andere als eine leichte Her­aus­forderung. Die Algarve mit ihren zahlre­ichen wilden Strän­den ist eben­falls nur arg eingeschränkt bar­ri­ere­frei. Zumin­d­est dieser Traum ist schon im Vor­feld geplatzt. Ich wollte immer in die Algarve, um dort an den wilden ein­samen Strän­den die Ein­samkeit in ein­er kleinen Bucht erleben. Aber natür­lich wusste ich schon im Vor­feld, was mich erwartete, aber es ist immer etwas anderes, wenn man die Sit­u­a­tion vor Ort ken­nen­lernt.

Kopfsteinpflaster

Ich habe bish­er noch kein Land, keine Region und keine Stadt erlebt, in der so kon­se­quent Kopf­steinpflaster ver­wen­det wird. Für alle in der Mobil­ität eingeschränk­te Men­schen ist dies ein Graus. Und damit meine ich nicht nur Roll­stuhlfahrer, son­dern auch Men­schen die Krück­en oder Gehstöcke nutzen oder Fam­i­lien mit Kinder­wa­gen.

Auf­fäl­lig ist, dass wenn etwas bar­ri­erearm oder gar bar­ri­ere­frei umge­set­zt wird, dass dies von allen Men­schen gerne genutzt wird. Gibt es Ram­p­en anstelle von Trep­pen, wer­den die Ram­p­en benutzt. Gibt es ebene Wege anstelle von Kopf­steinpflaster, wird sel­biges gemieden. Ich kön­nte die Liste beliebig ver­längern und das für jedes Land, nicht nur für Por­tu­gal.

Hier sind zwei Beispiele für Kopf­steinpflaster in Städten. Links ein Foto aus der Alt­stadt in Faro und rechts eines aus Mari­na de Albufeira. Sehr schön sind die unter­schiedlichen Arten von Kopf­steinpflaster zu sehen. Es ist näm­lich erstaunlich, wie vielfältig dies gelegt sein kann. Während es in der Alt­stadt von Faro ein Graus und ein Fortkom­men nur müh­sam war, so ist das Fahren auf kleineren Steinen deut­lich ein­fach­er. Vor allem, wenn die Steine schon älter und abgeschlif­f­en sind.

Eben­falls aus Faro stammt dieses Foto. Hier sind sehr schöne Mosaike gelegt, auf denen es sich sehr gut fährt. Dafür gibt es hier eine andere Ein­schränkung: Die meis­ten Läden ver­fü­gen über eine sehr hohe Ein­gangsstufe, die selb­st geübte Fahrer nicht nehmen kön­nen. Auch sind viele Läden sehr klein und eng.

Eine weit­ere Hürde sind die Bor­d­steinkan­ten. Hier ein Beispiel aus Mari­na de Albufeira. Die Bor­d­steine haben schon eine ordentliche Höhe. Und auf der kom­plet­ten Straße von Anfang bis Ende gibt es keine Absenkung. Hier musste ich regelmäßig auf die Straße auswe­ichen. Das war für gewöhn­lich kein Prob­lem und die Por­tugiesen haben immer Rück­sicht genom­men, aber schön ist trotz­dem anders. Ich musste immer sehr vorauss­chauend fahren, um zu ent­deck­en, wo ich raufkomme und auch wieder herunter.

Und wenn es mal eine Absenkung gibt, so sind diese nicht sel­ten so hoch bzw. steil, dass ich sie nur rück­wärts­fahrend run­tergekom­men bin und mit nur sehr viel Schwung her­auf.

Behindertentoiletten

Der Euro-Schlüs­sel hat es bish­er lei­der nicht in die Algarve geschafft. Dabei würde der hier sehr viel Sinn machen, denn die Behin­der­ten­toi­let­ten sind für gewöhn­lich abgeschlossen. Dass diese immer abgeschlossen sind, macht in meinen Augen wenig Sinn, weil oft­mals nie­mand in der Nähe ist, um sie aufzuschließen. Mit einem Euro-WC-Schlüs­sel umge­ht man dieses Prob­lem.

Wer­den die Toi­let­ten mal aufgeschlossen, dann wartet die näch­ste Über­raschung, die auf den bei­den obi­gen Beispie­len direkt ersichtlich wer­den. Es fehlen die Klo­brillen. Als ob Por­tugiesen nur katheter­isieren und sich nicht auf die Toi­let­ten set­zen. Grad die Met­all-Schüs­sel lädt wenig ein, sich dort zu entleeren. Desin­fek­tion­s­mit­tel fehlte immer auf allen Toi­let­ten, Seife gab es hin und wieder mal.

Ich habe in unserem Urlaub so einige (öffentliche wie pri­vate (z.B. in Restau­rants)) Behin­der­ten­toi­let­ten gese­hen, aber kaum eine entsprach einem zumut­baren Stan­dard.

Unfreundliche Menschen

Es ist wie in Deutsch­land eine Sache der Kul­tur, wie gut behin­derte Men­schen akzep­tiert wer­den. Por­tu­gal hinkt noch deut­lich­er als Deutsch­land zurück. Sehr auf­fäl­lig, dass vor allem ältere Ein­heimis­che mir sehr abweisend gegenüber waren und meist gar keine Rück­sicht genom­men haben. Sie waren regel­recht unfre­undlich und ich hat­te nicht sel­ten den Ein­druck als wür­den sie mir nur sehr wider­willig Platz machen. 

Sel­ten habe ich auch das andere Extrem ken­nen­gel­ernt. In einem kleinen Super­markt habe ich eine Flasche Wass­er gekauft und wurde an der Schlange nach und nach nach vorn gelotst. Ganz so, als wollte man mich so schnell wie möglich aus dem Laden haben.

Karten

In Por­tu­gal kann sich der Roll­stuhlfahrer nicht auf Apps wie Wheelmaps ver­lassen. Das Prob­lem ist näm­lich, dass man in dieser App keine Hin­weise geben kann. So gibt es z.B. viele Behin­der­ten­toi­let­ten, die nicht den deutschen Stan­dards entsprechen, in diesen Apps aber als Option angegeben wer­den. Ich komme da mit meinem Adap­tiv-Roll­stuhl rein, mit einem größeren Elek­tro­roll­stuhl nicht. Und so gibt es sehr viele Orte, die zwar als bar­ri­ere­frei gekennze­ich­net, es schlussendlich aber nicht sind. 

Sehr extrem ist es in kleineren Städten. Ich kann zumin­d­est bezo­gen auf die Algarve (obwohl ich ähn­lich­es auch von Liss­abon und Umge­bung gele­sen habe) grund­sät­zlich sagen, dass man als Roll­stuhlfahrer nur die Orte besuchen sollte, die einem expliz­it emp­fohlen wur­den oder über die man ander­weit­ig so viele Infor­ma­tio­nen sam­meln kon­nte, um sich selb­st ein Bild davon machen zu kön­nen. 

Ich bin öfters mal alleine los­ge­zo­gen und eigentlich immer gescheit­ert. Kleine Städtchen wie Pera oder Alcan­tar­il­ha sind zwar sehr pit­toreske, aber mit dem Roll­stuhl qua­si nicht zu bewälti­gen. Steile Wege, das immer­währende grobe Kopf­steinpflaster, keine Bor­d­stein­ab­senkun­gen oder oft auch noch nicht mal einen Bor­d­stein, machen eine Stadtbesich­ti­gung unmöglich. Selb­st mit Hil­fe wäre ich hier teil­weise nicht weit gekom­men.

Das ist auch der Grund, weshalb ich über meine Urlaube schreibe, um Erfahrun­gen zu teilen.

Bargeld

Deutsch­land ist mein­er Mei­n­ung nach schon arg im Hin­tertr­e­f­fen, was das bargeld­lose Bezahlen bet­rifft. Por­tu­gal kann noch eins drauf­set­zen. Es gibt unglaublich viele Orte, an denen nur Bargeld akzep­tiert wird. Entsprechend hoch ist zwar die Dichte von Gel­dau­to­mat­en, aber ggf. muss man entsprechend Gebühren bezahlen. Und mit viel Bargeld gehe ich sowieso nicht so gerne durch Touris­tenorte. Und selb­stver­ständlich ist nicht jed­er Gel­dau­tomat auch bar­ri­ere­frei zu erre­ichen.

Dabei ist die Liste von Orten beliebig lang, wo ich nur mit Bargeld zahlen kon­nte. Auf Wochen­märk­ten, Cafés, Bäck­ereien und sog­ar in Museen war es immer wieder üblich, dass wir nur mit Bargeld zahlen kon­nten. Sehr witzig war in einem Muse­um, dass an der Kasse ein Hin­weiss­child stand, dass man doch bitte zwecks Schutz vor Coro­na bargeld­los zahlen möge, obwohl dies gar nicht möglich war.

Dieser Beitrag ist Teil ein­er kleinen Beitragssamm­lung zu unserem Roll­stuh­lurlaub an der Algarve in Por­tu­gal.

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